Hannes Androsch

Kommentar

Hannes Androsch

Freihandel oder Abschottung

Markt / 16.09.2016 • 20:36 Uhr

Vorarlberg erfreut sich solider Wirtschaftsverhältnisse und erfolgreicher Wirtschaftsentwicklung. Leistungsbereitschaft und Schaffensfreude, Fleiß und Tüchtigkeit machen dies möglich. Hohe Beschäftigung, breiter Wohlstand und erfreulicher Lebensstandard sind die verdienten Ergebnisse. Sie basieren auf den Exporten der Industriebetriebe, auf einer leistungsfähigen Tourismuswirtschaft sowie einer konkurrenzfähigen Alm- und Holzwirtschaft.

 

Ohne die Möglichkeiten von Freihandel und wirtschaftlicher Freizügigkeit könnten diese Ergebnisse nicht erzielt werden. Die Auswirkungen von Isolierung, Barrieren oder Abschottung mussten in der Zwischenkriegszeit sowie während des Krieges und in den ersten Jahren der Nachkriegszeit mit Mangel, Not und großer Armut erlebt werden. Erst zunehmend liberale Welthandelsbedingungen ermöglichten deren Überwindung. Großen Nutzen zogen wir später aus der Ostöffnung und unserer 1995 erfolgten Mitgliedschaft in der Europäischen Union, der wir aus realpolitischen Gründen nicht schon früher beitreten konnten.

 

Für ein kleines Binnenland mit einer vergleichsweise kleinformatigen Betriebsgrößenstruktur sind offene Märkte von fundamentaler Bedeutung. Österreich kann daher kein Interesse an einer schwächelnden EU haben, noch weniger an ihrem Zerfall. Daher sind Austritts-Ideen zugleich ein Vorschlag für einen wirtschaftlichen Selbstmord. Protektionismus und Isolierung würden uns stark schaden.

 

Unsere Heimat ist und bleibt Österreich. Die Heimat von Österreich aber ist Europa. Mit unserer Binnenlage in der Mitte des Kontinents brauchen wir Stabilität, Rechtssicherheit und wirtschaftliche Freiheit. Dies kann kein einzelnes europäisches Land für sich alleine erreichen. Vielmehr brauchen wir eine starke europäische solidarische Verantwortungsgemeinschaft nach innen wie nach außen.

 

Die zunehmende Europa-Skepsis in unserem Land sowie die starke Aversion gegenüber Freihandelsvereinbarungen gehen in die falsche Richtung. Das von der EU bereits ausverhandelte Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada ist ausgewogen und berücksichtigt die wechselseitigen Befindlichkeiten. Daher sollten wir Ceta nicht bekämpfen, sondern vielmehr nutzen, um bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP mit den Vereinigten Staaten ähnlich ausgewogene Verhandlungsergebnisse zu erzielen. Mit internationaler Isolierung oder als „enfant terrible“ in der EU können wir dazu sicher nichts beitragen. Angstmachender Populismus ist keine Zukunftsoption!

Es ist daher hoch an der Zeit, über den Tellerrand zu blicken und die Kirchturmperspektive aufzugeben. Notwendig ist vielmehr – physisch wie mental – statt einer Abschottung mit Zäunen oder Mauern Brücken der Öffnung zu schlagen.

Als kleines Binnenland müssen wir alles tun, um mit Wettbewerbsfähigkeit, Innovationsbereitschaft und Leistungsbereitschaft die Möglichkeiten offener Weltmärkte sowie den digitalen Wandel zu nutzen.

Es ist daher hoch an der Zeit, über den Tellerrand zu blicken und die Kirchturmperspektive aufzugeben.

markt@vorarlbergernachrichten.at
Dr. Hannes Androsch ist Finanzminister i. R. und Unternehmer.