Die Banken und ihr Zinskonflikt
Muss die Bank dafür zahlen, dass sie dem Kunden Geld leiht? Erste Gerichtsurteile sorgen für Wirbel.
schwarzach. (VN-reh) Früher sah die Situation in der Finanzwelt noch anders aus. Wenn man Geld aufs Sparbuch legte, bekam man dafür Zinsen. Dafür musste man Zinsen zahlen, wenn man einen Kredit aufnahm. Heute im Lichte der Nullzins-Realität hat sich das geändert. Als Sparer bekommt man am Sparbuch kaum Rendite und für Kreditnehmer sind die Voraussetzungen so gut wie lange nicht – zumindest was die Zinssituation betrifft. Die große Frage, die derzeit die Gerichte des Landes beschäftigt, und die noch für ordentlich Wirbel sorgen könnte, ist nun aber, inwieweit die Banken die Negativzinsen auch bei variabel verzinsten Krediten berücksichtigen müssen.
Kredite sind an die Referenzzinssätze Euribor beziehungsweise Libor (bei Fremdwährungskrediten) geknüpft. Zusätzlich verrechnet die Bank einen Aufschlag. Da die Referenzzinssätze nun aber ins Minus gerutscht sind, könnte dadurch eine ganz neue Situation entstehen. Nämlich, dass die Banken, sollte der Referenzzins stärker im Minus sein, als der Aufschlag hoch ist, ihren Kreditnehmern Minuszinsen zahlen müssten. „Es geht nun darum, ob bei Krediten vom Aufschlag von beispielsweise 0,8 Prozent Negativzinsen überhaupt abgezogen werden dürfen und wenn ja, ob diese auch unter null gehen können, so dass das Bankinstitut dem Kreditkunden sogar monatliche Zahlungen leisten muss“, erklärt Rechtanwalt Dr. Stefan Denifl im VN-Gespräch die Problematik. Es gebe verschiedene Banken, die den Negativzins „bis auf null“ berücksichtigen und Banken, die vom Aufschlag überhaupt keinen Abzug vornehmen.
Erste Gerichtsurteile
Nun gibt es erste Entscheidungen verschiedener Gerichte zu der Thematik. Das Oberlandesgericht Innsbruck hat in einem Fall entscheiden, dass die betreffende Bank zwar negative Referenzzinssätze an Kreditnehmer weitergeben muss. Ein Zinssatz von Null gelte allerdings als absolute Untergrenze. „Echte“ Negativzinsen seien dem Wesen des Kreditvertrages widersprechend.
Das Handelsgericht Wien sah das anders. Ein Bankkunde hatte gegen das Vorgehen seiner Bank geklagt, weil diese trotz negativem Zins im Schweizer Franken den niedrigsten Indikator bei null Prozent angesetzt hat, so dass der Aufschlag von 0,875 Prozent zumindest immer an Zinsen zu bezahlen sei. Obwohl die Bank damit argumentierte, dass zumindest der Aufschlag bleiben müsse, weil sonst niemand mehr Geld verleihen würde, wenn er damit rechnen muss, dieses gratis zur Verfügung zu stellen, schloss sich das Handelsgericht Wien dieser Argumentation nicht an. „Dies würde dazu führen, dass, wenn der Negativzins den in diesem Fall vorhandenen Aufschlag von 0,875 Prozent überschreitet, die Bank dem Kunden Zinszahlungen leisten müsste. Sollte diese Entscheidung vom Obersten Gerichtshof bestätigt werden, hätte dies zur Folge, dass zahlreiche Kreditnehmer Zinszahlungen zurückfordern können und in Zukunft entweder keine Zahlungen leisten müssten oder sogar noch Zinszahlungen von der Bank erhalten werden“, verdeutlicht Denifl das Interesse an einer baldigen Entscheidung.
Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Nun ist der Oberste Gerichtshof am Zug, um Klarheit zu schaffen. Sein Urteil betrifft dann aber nur ältere Kreditverträge. Denn spätestens seit der Finanzkrise 2008 seien entsprechende Klauseln in Kreditverträgen definiert worden. Betroffen wären sowohl Euro- als auch Franken-Kredite, wobei das Szenario beim Libor-Zinssatz etwas realistischer erscheint, weil dieser weit tiefer im Minus ist als der Euribor. Wie sich der OGH entscheidet, ist noch völlig unklar. Die Chancen sieht Denifl 50:50. Eine Entscheidung wird spätestens im Frühjahr erwartet.
Widerspricht Ökonomie?
Und die Banken? Diese haben zur Thematik Negativzinsen einen klaren Standpunkt. Nämlich: „Weniger als Null geht nicht.“ Wenn derjenige, der Geld geliehen bekommt, auch noch dafür etwas bekommt, widerspreche das sowohl der gesetzlichen Definition als auch dem ökonomischen Charakter eines Kredites, so die einhellige Meinung der Banker. Deshalb müsse bei einem negativen Zinsindikator zumindest die Kreditmarge als Zins zu bezahlen sein.
Das Interesse an der aktuellen Entscheidung wird groß sein.
Stefan Denifl