“Die Strafen sind völlig überzogen”

Markt / 19.06.2017 • 22:28 Uhr

Unternehmensstrafrecht läuft aus dem Ruder, warnt die Vorarlberger Industrie und fordert Mäßigung.

Feldkirch. (VN-sca) Die Industrie im Land schlägt Alarm: Immer komplexer werdende Regelungen, immer mehr Vorschriften – da steige für die Unternehmen die Gefahr der Übertretung – und damit verbunden drohen ihnen existenzbedrohend hohe Verwaltungsstrafen.

Für den Obmann der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer, Georg Comploj, muss damit so schnell wie nur möglich Schluss sein: „Wir halten die derzeitige Praxis überbordender Strafen für völlig überzogen. Wir schlagen daher die Einführung von Ermahnungen, bedingten Strafen und eines Strafrahmens anstelle der kumulativen Bestrafung nach der Anzahl der Übertretungen vor!“

Horrende Strafen

Mittlerweile könne schon eine kleine Regelverletzung teure Folgen nach sich ziehen: Überschreiten mehrere Mitarbeiter – und wenn auch nur um Minuten – die zulässige Arbeitszeit, so löst jede einzelne Arbeitszeitüberschreitung eine Strafe aus – unabhängig davon, ob der Geschäftsführer davon Kenntnis habe oder nicht. Und Comploj nennt ein Beispiel. Eine Arbeitszeitüberschreitung von Montagemitarbeitern kann es aufgrund einer Flugverspätung geben. „Da kommen schnell Zehntausende Euro und mehr zusammen.“

Verschärfend komme hinzu, dass die Regelungen schwammig sind und Platz für Interpretationen bieten. Das gilt etwa für die Frage, ob im Einzelfall ein Werkvertrag oder ein Dienstvertrag vorliegt. Comploj: „Hier ist der Gesetzgeber in die Pflicht zu nehmen, um eindeutige Regelungen zu treffen, damit nicht schon aus dem Interpretationsspielraum teils enorme Verwaltungsstrafen entstehen können.“

Diese und andere überbordende Strafen haben die Industrievertreter in der Wirtschaftskammer veranlasst, ein Expertengutachten zur Gestaltung eines modernen Unternehmensstrafrechts einzuholen. Die Vorschläge liegen nun vor. Es sei nun Aufgabe der Interessenpolitik, die Umsetzung bei der Rechtsgestaltung voranzutreiben, so Comploj.

Da kommen schnell Zehntausende Euro zusammen.

Georg Comploj, SO Industrie WKV

Strafen mit Maß – Vorschläge der Industrie

» Ein Vergehen:  Anstelle einer Strafe je Übertretung sollte die Anzahl der Übertretungen in einem vorhandenen Strafrahmen erfasst werden.

» Ermahnen vor Bestrafen: In Fällen geringfügiger Übertretungen sollte es der Behörde ermöglicht werden, primär Ermahnungen auszusprechen.

» Keine Mindeststrafe: Entfall der Mindeststrafe, da sie in Zusammenhang mit der derzeitigen Kumulierung zu exorbitanten Strafen führt.
» Abschaffung der Verschuldensvermutung: Nach dem österreichischen Verwaltungsstrafrecht hat der Beschuldigte derzeit glaubhaft zu machen, dass eine Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden übertreten wurde.
» Einführung der Unternehmensstrafbarkeit: In einer modernen Unternehmensorganisation erweist sich die Bestrafung von Einzelpersonen als nicht mehr sachgerecht.