Wie Adriaan van Well in Vorarlberg Fuß fasste

1957 Präsentation mit einem ersten
Inserat in den Vorarlberger Nachrichten.
1958 fand die Gründungsversammlung von Spar Vorarlberg statt. Heute gibt es über 100 Spar-Märkte.
Dornbirn Es war für Luis Drexel ein Abend, der sein Leben veränderte und der die Handelslandschaft prägen sollte, als er im Februar 1954 bei einem Faschingsball im Dornbirner Gasthof Hirschen mit einem Gewürzhändler aus den Niederlanden ins Gespräch kam. Es war das Quäntchen Glück oder Zufall, das dem Tüchtigen in die Hände spielt. Die Gelegenheit, oder wie es Luis Drexel mit einem Zitat von Luis Pasteur sagt: „Der Zufall trifft nur einen vorbereiteten Geist.“ Der holländische Kaufmann erzählte ihm beim Ball von der Handelsorganisation Despar, die im Königreich 1932 ins Leben gerufen wurde und in Österreich Großhandelskaufleute suchte, die die Idee (Despar = „Door Eendrachtig Samenwerken Profiteren Allen Regelmatig“ , oder zu gut Deutsch „Durch einträchtiges Zusammenarbeiten profitieren alle regelmäßig“) umsetzen möchten.
Beben im Handel
Ab diesem Zeitpunkt bauten Vater Johann Drexel, der 1935 eine Mehl- und Futterwarenhandlung gründete, und die Söhne Herbert, Hans und Luis ein Lebensmittelsortiment auf und versuchten Kaufleute im Land von dem Modell zu überzeugen. Mit Erfolg: Am 30. November 1957 annoncierten die Spar-Kaufleute mit dem ersten Inserat in den Vorarlberger Nachrichten ihren Start im Land. 1958 fand die Gründungsversammlung mit 70 Spar-Einzelhändlern statt und löste ein Beben in der Vorarlberger Lebensmittelhandelslandschaft aus, denn nicht allen der damals etablierten Unternehmen gefiel das neue Modell. Sie versuchten mit einem Verbot die Spar-Aktivitäten zu stoppen und später mit dem Aufbau ähnlicher Organisationen von der neuen Idee zu partizipieren. Ersteres scheiterte, sonst fände nicht heute, Samstag, in Dornbirn die große Geburtstagsfeier für die Spar-Mitarbeiter und Spar-Kaufleute statt. Vier der 1958 an der Gründung beteiligten Geschäfte sind übrigens bis heute in der Hand der Eigentümerfamilien, nämlich die Spar-Märkte Bitschnau in Tschagguns, Mathis in Dornbirn, Rhomberg in Gargellen und Leu in Dalaas.
Idee setzt sich durch
Die Idee ließ sich jedenfalls nicht mehr aufhalten: Schon 1961 gab es 110 Spar-Kaufleute in Vorarlberg, der größte Teil ihrer Geschäfte waren bereits Selbstbedienungsläden. Die Verkaufsfläche hingegen war Anfang der 1960er-Jahre noch bescheiden: 120 Quadratmeter im Durchschnitt. Doch das von Despar-Gründer Adriaan van Well erklärte Ziel, die „Konzentration der Kräfte“ um die wirtschaftliche Existenz der kleinen Händler sicherzustellen, konnte erreicht werden. Das Jahr 1961 war für Spar überhaupt ein erinnerungswürdiges: Das ursprüngliche Drexel-Lagerhaus war bereits drei Jahre nach der Gründung zu klein.
Der erste Computer
In der Dornbirner Birkenwiese entsteht die erste Vorarlberger Spar-Zentrale mit Großhandelslager. 25.000 Kubikmeter umbauter Raum, das sind 300 Waggons Waren, die in vollklimatisierten Räumen gelagert werden konnten. „Erstmals, international viel diskutiert und besichtigt, erfolgt eine moderne Großlagerhausbewirtschaftung per Computer“, berichtet im Gespräch mit den VN Gerhard Ritter, Direktor der Spar Vorarlberg, über die frühe Pionierleistung seiner Vorgänger aus der Gründerfamilie. Besucher aus ganz Europa, Amerika und sogar aus Südafrika kamen in die Birkenwiese, um die erste Computergeneration im Lebensmittelhandel zu besichtigen und anschließend in den eigenen Unternehmen umzusetzen.
Entscheidende Schritte
Die Spar-Zentrale auf der Birkenwiese sollte nicht der einzige Meilenstein in der Geschichte von Spar Vorarlberg und Spar Österreich bleiben. Einen entscheidenden Schritt taten die Spar-Großhändler am 3. März 1970. Die damaligen zehn Spar-Großhandelsfirmen in Österreich schlossen sich mit Luis Drexel an der Konzernspitze zur SPAR Österreichische Warenhandels-AG zusammen. Sie bündelte die Kraft in einem zunehmend härter werdenden Wettbewerb im Lebensmitteleinzelhandel. Die Impulse passierten aber nicht nur auf Großhandelsebene. Die Spar-Kaufleute haben die Expansion entscheidend mitgestaltet. So fiel die Entscheidung für ein neues Marktformat gemeinsam. 1971 wurden die ersten Interspar-Märkte eröffnet, der erste in Innsbruck und der bereits zweite in Dornbirn. Der Interspar-Markt ist immer noch ein Konsumentenmagnet, seit 1987 im Dornbirner Messepark. Die Entscheidung für die großen Interspar-Märkte stärkte die Position am Markt. Das kam auch den Einzelhändlern in den Vorarlberger Talschaften zugute. Schon 1964 wurde mit Tann der erste Produktionsbetrieb eröffnet; die Tann Fleisch- und Wurstproduktion ist heute der größte Betrieb in dieser Branche in Vorarlberg.
Übernahme von Familia
Bis 1990 führte Hans Drexel die Geschäfte in der Spar-Zentrale, dann übergab er die Verantwortung an den langjährigen Direktor-Stellvertreter Heinz Wohlgenannt, der 19 Jahre an der Spitze des Unternehmens stand und insgesamt 46 Jahre bei Spar arbeitete. In seine Ära fiel 1996 die Übernahme sämtlicher Anteile der Familia-Gruppe von der Schweizer Migros. Dieses Übernahmepaket umfasste für die Spar Vorarlberg 22 Geschäfte in Vorarlberg, zehn in Westtirol sowie die Betriebszentrale in Dornbirn-Wallenmahd und insgesamt 900 Mitarbeiter. Ritter: „Diese Übernahme hatte eine große volkswirtschaftliche Bedeutung, nämlich Rückholung eines Vorarlberger Traditionsunternehmens aus der Schweiz, eine wirtschaftlich schwierige Dimension, da die Märkte bei der Übernahme hohe Verluste schrieben und eine soziale Komponente, weil alle Mitarbeiter übernommen wurden.“ Allerdings: Familia hatte etliche sehr gute Standorte, die auch heute noch zu den bestfrequentierten Spar-Märkten zählen.
3500 Mitarbeiter
Seit dem Jahr 2009 führt Gerhard Ritter das Unternehmen in Vorarlberg und Gerhard Drexel aus der Gründerfamilie die Spar WarenhandelsgmbH Österreich, den inzwischen größten privaten Arbeitgeber Österreichs mit 75.000 Mitarbeitern. Sie können heute in Vorarlberg auf eine Erfolgsgeschichte anstoßen, an der aktuell 55 selbstständige Spar-Kaufleute, 40 Spar- und Eurospar-Filialen und fünf Interspar-Märkte mit 3501 Mitarbeitern weiterschreiben. Wichtig sei dem Unternehmen langfristig die gute Abdeckung und Sicherstellung der Nahversorgung, die Zusammenarbeit mit vielen Vorarlberger Produzenten aus Landwirtschaft und Industrie und die Ausbildung. Nächste Woche eröffnet ein runderneuerter Spar in Lochau und in Kürze ein neuer Spar-Laden in Fußach. Derzeit werden 193 Lehrlinge ausgebildet.

1958 Gründungsversammlung

1961 Bau der Spar-Zentrale in Dornbirn Birkenwiese, 110 Kaufleute sind Mitglied. Die meisten hatten schon Selbstbedienungsläden.

2017 Marktführer in Vorarlberg, 3501 Mitarbeiter, 193 Lehrlinge, über 100 Märkte.

2009 Geschäftsführerwechsel: Gerhard Ritter folgt auf Heinz Wohlgenannt.

2000 Neubau der Spar-Zentrale in
Dornbirn Wallenmahd.

1971 Erster Interspar in Dornbirn.