Hannes Androsch

Kommentar

Hannes Androsch

Wie erfolgreich weiter?

Markt / 24.04.2020 • 22:19 Uhr

Die ersten 75 Jahre der Zweiten Republik waren unglaublich erfolgreich. Sie brachten Wohlstand und Wohlfahrt, Freiheit und Sicherheit. Diesen Erfolg haben wir – trotz großer Behinderungen – durch eigene Anstrengungen, politische Zusammenarbeit und internationale Unterstützung erzielt. Entscheidend war, dass die längste Zeit Gemeinsinn und Solidarität bestanden.

Jüngst ereilte uns die globale Corona-Krise. Die Welt war darauf schlecht vorbereitet, obwohl es längst Warnungen gab. Es war Leichtfertigkeit, eine solche Gefahr zu ignorieren, zu verharmlosen oder gar zu vertuschen. So wurden notwendige Vorbereitungen vernachlässigt und Maßnahmen wie Testungen verzögert.

Jetzt gilt es, diese globale Mehrfachkrise zu bewältigen. Es zeigt sich, dass die nach der Eurokrise 2010 in Europa verfolgte Austeritätspolitik zur Vernachlässigung lebenswichtiger Versorgungseinrichtungen geführt hat, was sich unter Covid19 rächt. Nun mussten wirtschaftliche Notmaßnahmen ergriffen werden, um durch monetäre Bluttransfusion das Liquiditätsvirus zu bekämpfen und einen Kollaps zu verhindern, wenngleich die hierzulande beschlossenen Mittel im Vergleich etwa zu Deutschland bescheiden sind. Ein noch größeres Problem aber wird sein, die Realwirtschaft wieder in Gang zu bringen. Wir werden erkennen, wie sehr Wohlstand und Wohlfahrt hierzulande von Exporten und vom Fremdenverkehr abhängig sind, und wie sehr wir daher eine offene Weltwirtschaft mit Freihandel, offenen Grenzen und Reisefreiheit brauchen. Wir alle müssen Interesse daran haben, dass die nationale Isolation bald wieder aufgehoben wird, um unsere Realwirtschaft wieder anzukurbeln. Denn nur deren Leistungen schafft Arbeit, Einkommen und Wohlstand, und nur auf deren Basis ist unser Sozialstaat finanzierbar. Neben der Aufhebung der Isolation brauchen wir daher ein wirtschaftliches Wiederbelebungsprogramm, nicht nur national, sondern europaweit und in globaler Abstimmung. Vorschläge wie Rückgriff auf Vermögen wären dabei kontraproduktiv, würden doch solche Maßnahmen einen Liquiditätsentzug, eine „monetäre Blutabsaugung“ bedeuten und Investitionen verhindern. Auch die durch den wirtschaftlichen Rückfall eingetretenen Schäden können nur durch neue Leistungen behoben werden und nicht durch Behinderungen.

Es wird also großer Anstrengungen, Gemeinsinn und Solidarität bedürfen. Auch die gegenwärtige Weltunordnung muss überwunden werden. Nur unter solchen Voraussetzungen wird es möglich sein, so wie die letzten auch die künftigen 75 Jahre erfolgreich zu gestalten.

„Ein noch größeres Problem aber wird sein, die Realwirtschaft wieder in Gang zu bringen.“

Hannes Androsch

markt@vn.at

Dr. Hannes Androsch ist Finanz­minister i. R. und Unternehmer.