„Zinswende zeichnet sich ab“

Markt / 18.03.2022 • 18:35 Uhr

Was macht die EZB? Wilfried Hopfner über die Bedeutung für Sparer und Kreditnehmer.

Bregenz In den USA ist die Zinswende eingeläutet: Die US-Notenbank Federal Reserve erhöht erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie ihren Leitzins wieder. Er steigt um 0,25 Prozentpunkte. Wie geht es in Europa weiter? Die VN haben bei Wilfried Hopfner, Vorstandsvorsitzendem der Raiffeisen Landesbank, nachgefragt.

Ist die derzeitige Teuerungswelle ein Anlass, die europäische Zinspolitik zu überdenken?

„Ja, trotz der vom Ukraine-Krieg ausgehenden wirtschaftlichen Risiken für die Wirtschaft muss die europäische Zentralbank auf die deutlich gestiegenen Inflationsdaten reagieren“, sagt Hopfner. Die Anleihekäufe durch die EZB würden nach und nach reduziert, eine erste Zinserhöhung und somit eine Zinswende zeichne sich noch für dieses Jahr ab.

Was bedeuten steigende Zinsen für Kreditnehmer?

„Steigende Zinsen werden auf der Kreditseite zu Verteuerungen führen. Allerdings wird das Zinsniveau insgesamt niedrig bleiben. Denn wir rechnen nicht mit einer explosionsartigen Entwicklung, sondern eher mit sehr kleinen Schritten. Die größere Gefahr ist also die Inflation“, betont der Raiffeisen-Chef. Ein Bankgeschäft sei ein Geschäft mit langfristigen Verträgen. „Bei einem Fixzinskredit wird der vereinbarte Zins quasi „eingeloggt“. Damit schützt man sich vor Zinsentwicklungen nach oben und auch nach unten, während bei einem variablen Kredit immer der aktuelle Zinssatz gilt.“ Bei Wohnbaukrediten würden sich viele für eine Kombination aus beiden Varianten entscheiden.

Sind das für Sparer gute Nachrichten?

„Negativzinsen in Kombination mit der hohen Inflation führen dazu, dass Sparguthaben noch schneller entwertet werden. Allerdings sollten sich Sparer keine allzu großen Hoffnungen machen. Denn es ist keine große Entwicklung zu erwarten“, sagt Hopfner. Die Einlagefazilität, sprich der Einlagenzins, liegt aktuell bei minus 0,5 Prozent. Das heißt, wenn die EZB in kleinen Schritten erhöht, könnten Sparer wohl überhaupt erstmal nur auf Nullzinsen hoffen.

Droht durch den aktuellen Krieg in der Ukraine eine Finanzkrise, die die Wirtschaft in Europa gefährdet?

„Es ist absehbar, dass die Sanktionen gegenüber Russland leider auch negative Effekte für die mitteleuropäische Wirtschaft nach sich ziehen werden. Die Wachstumsprognosen nach der Pandemie waren für die nächsten Jahre aufgrund der erwarteten Nachholeffekte zurecht sehr optimistisch. Daher muss auch ein Rückgang des Wachstums, dessen Ausmaß von der Dauer des Konflikts abhängen wird, nicht zwangsweise zu einer Krise führen“, erklärt der Raiffeisen-Vorstandsvorsitzende. Es bleibe allerdings auch abzuwarten, wie sich die Lieferkettenprobleme, der Rohstoffmangel und vor allem die Energiepreise entwickeln. „Daraus resultiert auch der wirkliche Druck auf die Inflationsrate.“

Wie müsste eine nach vorne gerichtete Finanzpolitik der Union jetzt aussehen?

Europa sei in einer sehr herausfordernden Situation. „Einerseits zeigt der rasche Schulterschluss bei den Wirtschaftssanktionen gegenüber dem Aggressor Russland eine neue Stärke der Union und andererseits erschwert die erkennbare Abhängigkeit vom Exportmarkt vor allem aber vom Gaslieferanten Russland weitere konsequente gemeinsame Schritte“, so Hopfner. Die aktuelle Diskussion zur Abfederung der explodierenden Energiekosten zeige wieder die Schwäche der Union auf, dass sie sich noch nie auf eine gemeinsame Fiskalpolitik verständigen konnte. „Ich gebe zu, eine solche zu fordern ist leichter, als eine solche umzusetzen. Die unterschiedlichen Ausgangslagen in den Mitgliedsstaaten erschweren notwendige Entscheidungen.“ VN-Reh

„Eine erste Zinserhöhung zeichnet sich noch für dieses Jahr ab.“