Deshalb bereitet der Rubel-Zwang Europa und der Wirtschaft Kopfschmerzen

Russland akzeptiert nur noch Rubel für Gas. Der Industrie drohen Rationalisierungen.
Andreas Scalet und Magdalena Raos
Moskau, Wien, Bregenz Noch am Donnerstagmorgen gaben sich europäische Spitzenpolitiker optimistisch, dass das Gas aus Russland wie gewohnt fließen wird. Italiens Regierungschef Mario Draghi berichtete am Donnerstagvormittag über sein Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, dieser habe ihm in einem Telefonat versichert, dass die Verträge über Gaslieferungen weiter Bestand hätten, alle Staaten in Europa können russisches Gas weiter in Euro oder Dollar bezahlen. Auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich überzeugt, dass es nicht zu Änderungen komme. „Ich habe in dem Gespräch mit dem russischen Präsidenten klargemacht, dass das auch so bleiben wird.« Man werde sich nun anschauen, wie Russland dies umsetzen werde. »Auf alle Fälle gilt für die Unternehmen, dass sie in Euro zahlen wollen, können und werden“, zitiert ihn das Nachrichtenmagazin “Spiegel”.
Doch Putin zeigte offenbar einmal mehr, dass er nicht mehr berechenbar ist: Wenige Stunden nach den Worten der beiden Regierungschefs sieht alles ganz anders aus. Putin hat nach eigenen Angaben ein Dekret unterzeichnet, nach dem ausländische Käufer für russisches Gas von Freitag an in Rubel zahlen müssen. Verträge würden gestoppt, wenn diese Zahlungen nicht erfolgten, gab der Kriegsherr bekannt. Draghi will noch einmal nachhaken und wies darauf hin, dass Russland keinen anderen Markt für sein Gas habe, was Europa Handlungsspielraum gebe. Auf die Frage, ob die Gefahr bestehe, dass Russland daraufhin einfach den Gashahn zudrehe, antwortete Draghi: „Nein, die Gefahr besteht nicht.“
„Bei einem Ausbleiben der Zahlungen in Rubel werden die Lieferungen eingestellt.“
Wladimir Putin, Präsident Russische Föderation
Ganz anders sieht das die Industrie, die seit Tagen darauf hinweist, dass Ausfälle in wichtigen Industrien drohen, wenn das Gas zur Neige geht. Wie die VN berichteten, werden mit dem Gas, das noch zur Verfügung steht, zuerst die Haushalte und kritische Infrastrukturen bevorzugt beliefert werden, der Industrie drohen aber Rationierungen. In Vorarlberg verteilt sich der Erdgasverbrauch laut illwerke vkw auf rund 50 Prozent Raumwärme und 50 Prozent Industrie. Vom Raumwärmebedarf fallen rund drei Viertel im Winter an. Das heißt, dass die Haushalte in den nächsten Monaten normal versorgt werden können. Für die Industrie würde der Lenkungsfall jedoch je nach Branche Einschränkungen und möglicherweise Produktionsausfälle bedeuten, so der Erdgaslieferant.
Derzeit sind die Speicher in Österreich zu 15 Prozent gefüllt, das ist weniger als andere Staaten als Notfallration bevorratet haben. Dazu kommt, dass Österreich 80 Prozent des Erdgases aus Russland bezieht. Am Mittwoch wurde in Österreich die Frühwarnstufe des Gasnotfallsplans ausgerufen, dass diese bald in die nächste Stufe führt, ist absehbar. Energielenkungsmaßnahmen wie Rationierungen seien aber vorerst nicht vorgesehen, das ist erst ab Stufe 3 der Fall.
Gaskrise: Welche Maßnahmen gibt es bei einem Lieferstopp?
Es ist ein furchtbares Gefühl, von russischem Gas abhängig zu sein. Meine Aufgabe als Bundeskanzler ist es aber auch, für Energiesicherheit zu sorgen. Österreich wartet auf eine schriftliche Ausführung und wird diese bewerten. Österreich ist aber nicht bereit, die Sanktionen aufzuweichen. Karl Nehammer, Bundeskanzler
Falls die Lieferungen aus Russland eingestellt werden, tritt der Energielenkungsfall in Kraft. Neben einem Aufruf, Gas zu sparen, kommt es im Extremfall zu einer Kontingentierung bei großen Verbrauchern. Haushalte und Einrichtungen wie Krankenhäuser werden nicht kontingentiert. Helmut Mennel, Vorstand illwerke vkw
Die konkreten Auswirkungen auf die in Euro laufenden Lieferverträge und die Reaktion der EU sind derzeit noch unklar. Wir befinden uns aber im ständigen Kontakt mit illwerke vkw. Zum aktuellen Zeitpunkt laufen die vereinbarten Gaslieferungen aus Russland weiterhin uneingeschränkt. Markus Wallner, Landeshauptmann