Warum jetzt bei Wetterkatastrophen alle gemeinsam zahlen sollen

Vorarlberger Versicherungsbranche fordert im Einklang mit österreichischen Versicherern solidarische Absicherung gegen Schäden aus Naturkatastrophen.
Feldkirch Der Unternehmer Roland Saur nervt seit vielen Jahren vor allem Politiker mit seiner Forderung nach einer Elementarschaden-Versicherung, die auf dem Solidaritätsprinzip beruht. Der langjährige Präsident des Vorarlberger Wirtschaftsverbandes und Tourismus-Branchenvertreter, der in Gargellen ein Hotel besitzt, ließ in der Sache nicht locker, doch hören wollten das wenige. Unterstützung bekam er – wenn auch nicht sehr nachdrücklich – von der Versicherungsbranche. Erst der Klimawandel sorgt für mehr Druck – auch auf die Politik.
Vorbild Schweiz
In der Schweiz hat man die Elementarschaden-Versicherung Ende der 1950er- Jahre aus einem Grund eingeführt, der auch in Österreich gilt: Die Topographie ließ auch ohne Klimawandel erwarten, dass es zu Wetter- und Naturkatastrophen kommt, die man nur gemeinsam meistern kann. Die Überlegung war richtig: Die Schweiz wurde immer wieder von Naturkatastrophen heimgesucht, deren Auswirkungen weder die Betroffenen noch ihre Versicherungen tatsächlich stemmen konnten und können. In Österreich blieb es bislang bei anlassbezogener kurzer Diskussion, wenn gerade wieder Flüsse über die Ufer traten oder Muren Täler, Ortschaften und Gebäude vernichteten.

Jetzt setzt ein Umdenken ein. Die Wirtschaftskammer Österreich will schon in den nächsten Wochen einen Vorstoß in Richtung solidarische Versicherung unternehmen, wie Wirtschaftskammer-Österreich-Präsident Harald Mahrer im Gespräch mit den VN versicherte. Auch im Land regen sich die Versicherungen bzw. die Versicherungsmakler, nachdem sich der Österreichische Versicherungsverband schon zu Wort gemeldet hat.
Mit Blick in den Süden Österreichs, wo Unwetter und Überflutungen ein Bild der Verwüstung sowohl im privaten wie auch im wirtschaftlichen Bereich hinterlassen haben, als auch nach Hörbranz, wo ein Erdrutsch nach und nach die Häuser zerstört, fordern der stv. Spartenobmann Bank und Versicherung, VLV-Vorstand Robert Sturn, und Dieter Bitschnau, Obmann der Sparte Information und Consulting, ein solidarisches Versicherungsmodell, konkret eine Pflichtversicherung gegen Naturkatastrophen. Sturn: „Naturkatastrophen kommen immer häufiger vor – auch in Vorarlberg muss aufgrund der Topografie vermehrt mit Hochwasser und Muren gerechnet werden, solche Gefahren ausschließlich über den Katastrophenschutz abzusichern, wie es die Bundesregierung derzeit vorsieht, ist kurzsichtig und unüberlegt.”
Pflichtversicherung gefordert
Und er argumentiert weiter: “Auf Leistungen aus diesem Fonds, der übrigens aus Steuergeldern der Einkommensteuer und der Unternehmenssteuer KÖSt finanziert wird, haben Betroffene keinen Rechtsanspruch, und das entspricht nicht mehr dem heutigen Bedarf.“ Dieter Bitschnau bestätigt diese These und ergänzt: „Man ist im schlechtesten Fall quasi vom guten Willen der Mittelauszahlung abhängig – in einer Situation, in der es um die finanzielle Existenz geht.“

Der Wille der Politiker sei auch ein Grund dafür, dass die solidarische Versicherung gegen Naturkatastrophen bisher nicht zustande kam, mutmaßt ein Vorstand einer der größten österreichischen Versicherungen, der nicht namentlich genannt werden will: “Die Politiker treten gerne als Heilsbringer nach Katastrophen auf. Das wäre dann nicht mehr möglich.”
Modell Schweiz
Wegen ihrer hohen sozialpolitischen und wirtschaftlichen
Bedeutung ist die private Elementarschadenversicherung
detailliert gesetzlich geregelt. Basis für die Bestimmungen
bildet das Schweizer Versicherungsaufsichtsgesetz VAG.
Es besagt, dass alle Gesellschaften, die in der Schweiz
die Feuerversicherung anbieten, verpflichtet sind, gleich-
zeitig auch die Elementarrisiken in die Versicherung
miteinzuschließen. Näher geregelt wird die Elementarscha-
denversicherung in der Aufsichtsverordnung AVO.
Die AVO regelt die versicherten Gefahren, die versicherten
Sachen, die versicherten Leistungen und die Selbstbehalte.
Geregelt sind auch die Prämien, und zwar von der Eidgenös-
sischen Finanzmarktaufsicht Finma. Die Finma schreibt
einen für alle Versicherungsunternehmen einheitlichen und
verbindlichen Prämientarif vor.
Die gesetzlich geregelte Elementarschadenversicherung
soll den Grundbedarf versicherter Privatpersonen und
Unternehmen abdecken und ihre Existenz sichern. Weiter-
gehende Leistungen zu Umfang, Gefahren oder Summen
lassen sich bei den Privatversicherern individuell versichern.
Versicherte Gefahren
Die Elementarschadenversicherung kennt neun versicherte
Gefahren: Hochwasser, Überschwemmung, Sturm, Hagel,
Lawinen, Schneedruck, Felssturz, Steinschlag und Erdrutsch.
Versicherte Sachen
Grundsätzlich sind alle „Sachen“, die in der Schweiz liegen,
zum Vollwert versichert. Das sind alle Gebäude in den
GUSTAVO-Kantonen sowie in allen Kantonen – außer den
Kantonen Waadt und Nidwalden – die sogenannte Fahrhabe,
bestehend aus dem Hausrat und dem Inhalt von Gebäuden.
Versicherte Leistungen
Werden versicherte Sachen durch eine der vorgängig
beschriebenen neun versicherten Elementargefahren
zerstört oder beschädigt – oder gehen sie dadurch
abhanden –, ersetzt die Versicherung den Schaden.
Höchsthaftungslimite
Die Versicherungsgesellschaften haften nicht unbegrenzt.
Die maximale Entschädigung pro Ereignis beträgt zwei
Milliarden Franken – je eine Milliarde für Gebäude und eine
Milliarde für Fahrhabe. Auch die Entschädigung, die pro ver-
sicherten Kunden ausbezahlt wird, ist auf 25 Millionen
Franken begrenzt. Das stellt sicher, dass bei einem großen
Naturereignis möglichst viele Geschädigte Geld erhalten.