Wohnungsnot in Vorarlberg – “Wohnungsmarkt löst keine der Herausforderungen”

Der gemeinschaftliche und genossenschaftliche Wohnbau ist in Vorarlberg noch neu, doch es gibt erste Projekte. Wo der Fachservice noch Defizite sieht.
Feldkirch “Der Wohnungsmarkt in Vorarlberg ist nicht so, dass man aktuelle und kommende gesellschaftliche Herausforderungen lösen kann, sondern teilweise verschärft”, erklärt Architekt Andreas Müller-Dirnberger vom Verein Weiterwohnen und dem damit verbundenen Fachservice für gemeinschaftliche Wohnformen.
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Auf der einen Seite gibt es den privaten Wohnbau, ein Investor baut und verkauft oder vermietet die Wohnungen. Auf der anderen Seite den gemeinnützigen Wohnbau, der oft als Sozialbau für die Bedürftigsten verstanden wird. Für diejenigen, denen das eine zu teuer ist und die für das andere nicht arm genug sind, kommt nach und nach ein weiteres Modell nach Vorarlberg: Menschen gründen Genossenschaften und finanzieren sich ihr Wohneigentum so selbst. Oft werden gewisse Räumlichkeiten gemeinsam genutzt, sei es als Waschküche oder Treffpunkt – ähnlich einem Marktplatz im Dorf.
Ohne Gewinnabsicht und durch die so geschaffenen Synergieeffekte wird der Wohnraum leistbarer und ohne Investorenmodell weniger konjunkturgetrieben. Durch die gemeinschaftlichen Ansätze wird das Wohnen generationengerechter, diverser und die gesellschaftliche Durchmischung gefördert, statt dass jeder vor sich hin lebt.
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Weiterwohnen ist seit 2018 ein Vorkämpfer für diese Form des gemeinschaftlichen und genossenschaftlichen Wohnbaus. Seit Jahresbeginn betreut dieser grenzüberschreitend den Fachservice für gemeinschaftliche Wohnformen, um Gemeinden und Stakeholder bei der Förderung solcher Wohnformen unterstützen zu können. Denn es fehlt an Wissen und Erfahrungen – nicht nur bei den Gemeinden und Banken, sondern auch in der Bevölkerung. “Viele glauben, Gemeinschaftswohnen bedeutet Kommunenleben. Dabei geht es um individuelle Privatsphäre kombiniert mit Gemeinschaft”, betont Josef Gojo, der den Fachservice auf der deutschen Seite vertritt. Von gemeinsamen Wohn- oder Badezimmern sei man weit entfernt. Und: Solche Genossenschaften gelingen nicht nur in Großstädten wie München, sondern auch im ländlicheren Raum.
Erste Projekte am Start
Tatsächlich gibt es auch in Vorarlberg erste Projekte, die Fahrt aufgenommen haben: Etwa im Bregenzer Lehenweg von “Gemeinsam Bauen und Wohnen in Vorarlberg” oder “Zämm im Blumenweg” in Lauterach. Weitere Genossenschaften organisieren sich selbst in Kleinstgemeinden. Und auch unter den Bauträgern selbst wächst das Interesse an solchen Konzepten.
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Doch die größte Hürde steht oft am Anfang: das Grundstück. Geeignete Baugründe sind meist entweder nicht verfügbar oder nur kurz auf dem Markt, etablierte Bauträger sind schneller und finanzstärker. “Konzeptvergaben sollten Standard sein: Nicht der Höchstbietende gewinnt, sondern das beste Konzept”, schlägt Müller-Dirnberger vor. So könnten Gemeinden etwa Sozialkonzepte für ein besseres Zusammenleben zu den Kriterien für eine Baurechtvergabe machen. Davon würden nicht nur die Genossenschaften als Bau, sondern schlussendlich auch das Gemeindeleben profitieren. “In Deutschland gibt es sogar Agenturen, die Grundstücke sammeln und an Genossenschaften weitergeben”, weist Gojo auf andere Konzepte hin.

Derzeit unterstützt die EU den Fachservice über das Interreg-Programm “Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein” mit 60 Prozent der Kosten. Da Weiterwohnen unabhängig sein will, verzichtet man bewusst auf Sponsoren aus der Privatwirtschaft. Daher wäre die öffentliche Hand am Zug, diese Anlaufstelle mitzufinanzieren. Die Vorteile liegen dabei auf der Hand: “Mit dem EU-Projekt wollen wir Gemeinden die Werkzeuge in die Hand geben, solche Prozesse zu unterstützen”, betont Müller-Dirnberger.
Weiterwohnen mit den bestehenden Projekten in Vorarlberg: https://www.weiterwohnen.eu/