Ökonom zur Wirtschaftslage: “Was tut man, wenn sich alle drei Tage alles ändert?

Wirtschaft liebt Ruhe – dann kann sie sich entwickeln und ist planbar. Doch seit Jänner ist genau das Gegenteil der Fall. Ökonom Stefan Bruckbauer sieht dennoch Chancen für eine Erholung der heimischen Wirtschaft und mehr “Europa in Europa”.
Dornbirn Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Unicredit Bank Austria und regelmäßiger Börsen-Autor in den VN, gilt als einer der angesehensten Ökonomen Österreichs. Seine Analysen sind nicht nur für die Großbank, sondern auf für viele Unternehmen Grundlage ihrer Strategie und Aktivitäten. Vor kurzem tauschten sich rund 50 Vorarlberger Unternehmer und Top-Manager mit Bruckbauer, Bank Austria-Vorstand Dieter Hengl und dem Landesdirektor der Bank, Claus Jeschko, über die momentane Wirtschaftslage national und global aus. Es ist ein Ausblick auf völlig neue Rahmenbedingungen, stellt Bruckbauer im Gespräch mit den VN fest. „Was tut man, wenn sich alle drei Tage alles ändert?“ fasst er zusammen, was seit Jahresbeginn, die Welt durcheinanderwirbelt.
US-Nachfrage bleibt hoch
Doch nicht nur die Welt ist atemlos: Auch die Stimmung in der US-Wirtschaft habe sich seit der Amtsübernahme Donald Trumps deutlich verschlechtert, das betreffe auch den für die USA wichtigen Dienstleistungsbereich, nicht nur die Industrie. Während die USA stark bei Dienstleistungen seien, sehe das bei Industriegütern ganz anders aus, man müsse sich nur die Import- und Exportzahlen anschauen. „Das Problem der USA ist die hohe Nachfrage, die ändere sich nicht, es wird nur teurer.“ Europa werde das allerdings wenig beeinflussen beim Bemühen sich hochzurappeln. Trumps Aktivismus habe auch etwas Gutes, so der Ökonom: „Wichtig ist, dass Europa jetzt reagiert, über seinen Schatten springt.“

Was man auf dem alten Kontinent nicht tun sollte, so Bruckbauer, sei darauf zu hoffen, dass “alles eh nicht so kommt“ wie angedroht, er hoffe, die derzeitige US-Politik habe eine heilsame Wirkung für Europa. Nicht mehrheitsfähig waren z.B. Militärausgaben. Inzwischen habe sich die Bereitschaft der Bevölkerung, mehr in die Verteidigung zu investieren, erhöht. Auch die EU hat vor wenigen Tagen ein starkes Bekenntnis zur gemeinsamen Militärpolitik abgelegt. Für die hart geprüfte Wirtschaft im Land sieht Bruckbauer jetzt aber auch Chancen, nachdem sich eine Regierung in Österreich gebildet hat und der wichtigste Handelspartner Vorarlbergs und Österreichs, die Bundesrepublik Deutschland, eine 180-Grad-Wende vollzogen habe und ein riesiges Investitionspaket auf den Weg brachte.
Vertrauen aufbauen
In der Politik sehe man erste positive Signale und stabilisierende Faktoren. „Das ist eine Vertrauensfrage, die für die Binnenkonjunktur wichtig ist. Entbürokratisierung muss angegangen werden: „Österreich muss nicht Gold Plating betreiben (also nicht EU-Mindeststandards durch nationale Rechtsvorschriften übererfüllen) und Infrastrukturprojekte angehen.“ Die Unternehmen in Vorarlberg und Österreich sieht er gut aufgestellt: „Grosso modo stehen die Unternehmen super da, sie sind flexibler und viel fitter geworden“, betonen Hengl und Bruckbauer. Und noch eins: Mit Blick in Richtung Politik und Deutschland warnt der Ökonom davor, Wirtschaft in den Verfassungsrang zu heben. Damit seien Regierungen die Hände gebunden für rasches Reagieren.

Die Bank Austria öffnet sich im momentan schwierigen Umfeld weiter für die Wirtschaft, erklärt Vorstand Dieter Hengl. „Wir haben einen starken Fokus auf KMU, wollen uns für diese stärker öffnen“. Als Großbank habe man Zusatzangebote, die bei kleineren und Lokalbanken nicht zu kriegen seien, so Hengl. Für die Betreuung habe man sich personell gestärkt. Einen Fokus lege man dabei auch auf die Digitalisierung, die für alle Wirtschaftszweige ganz oben auf der Agenda stehe.