“Man darf erwarten, dass Staatsorgane nicht nur den eigenen Schrebergarten bedenken”

Finanzexperte Michael Grahammer kritisiert Entscheidungen zu KIM-V und Mieten.
Welche Aufgaben haben unabhängige Organe in Österreich?
Bitte nicht missverstehen: Sehr viele Menschen im öffentlichen Dienst verrichten mit großem Einsatz Tätigkeiten, die für uns lebensnotwendig und unverzichtbar sind – im Sinne und zum Wohl von uns allen. Gleichzeitig lassen manche Entscheidungen von unabhängigen Institutionen in Österreich zumindest Weitblick vermissen. Und man fragt sich zuweilen, welchen Interessen sie dienen.
Jüngste Beispiele gefällig, die uns alle betreffen?
Aber gerne doch – leistbares Wohnen ist schließlich eines der zentralen Themen unserer Zeit. Da stemmt sich die Finanzmarktaufsicht trotz zahlreicher Interventionen der Politik, der Wirtschaft, der Banken und trotz Insolvenzen und Arbeitsplatzverlusten im Wohnbau oder abhängigen Branchen weiterhin dagegen, die Kriterien für die private Wohnbaufinanzierung zu lockern. Das, obwohl auch bei einem höheren Zinsniveau die Finanzmarktstabilität durch Häuslbauer und Wohnungsbesitzer nicht annähernd gefährdet war. Dass Beschränkungen des Eigentumserwerbs für Teile der Bevölkerung die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vertiefen und Altersarmut geradezu herausfordern, interessiert die Entscheidungsträger offenbar nicht.
Und das Mietenurteil?
Dasselbe. Jüngst haben österreichische Verfassungsrichter geurteilt, dass es gerechtfertigt ist, Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen nachträglich außer Kraft zu setzen, weil Verbraucher eine schwächere Verhandlungsstellung haben. Solche Entscheidungen können einen immanenten Wertverfall von Wohnimmobilien bewirken, der Vermieter (auch unsere Pensionskassen und Versicherungen), die Baubranche und Banken zusätzlich in arge Bedrängnis bringt. Sie untergraben außerdem die Rechtssicherheit in Österreich. Und das spielt keine Rolle? Mein Fazit: Wer in Österreich Steuern korrekt und anständig bezahlt, darf zu Recht erwarten, dass die höchsten Staatsorgane bei ihren Entscheidungen nicht nur den eigenen Schrebergarten, sondern die Tragweite ihrer Handlungen für das gesamte Land bedenken.