Vorarlberger Grenzgänger bald in der Rüstungsproduktion?

Der Absturz der Automobilindustrie zwingt Zulieferer zu neuen Geschäftsfeldern. Eines der größten Liechtensteiner Unternehmen führt konkrete Gespräche über den Einstieg in die Produktion von „Präzisionsbauteilen für die Verteidigungsindustrie“.
Eschen (FL) Die Automobilzulieferer leiden mit den Kfz-Herstellern unter einem historischen Absturz. Das gilt auch für thyssenkrupp Automotive Technology, deren Business Unit Steering ihren Sitz in Eschen, gleich über der Grenze in Liechtenstein hat. Sie hat im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2024 / 2025 einen Rückgang beim Auftragseingang in Höhe von zwölf Prozent und einen Umsatzrückgang in Höhe von zehn Prozent verzeichnet. Bei solchen Zahlen schrillen alle Alarmglocken im weltweit tätigen Konzern, insbesondere aber bei der Geschäftseinheit Thyssenkrupp Steering mit Hauptstandort thyssenkrupp Presta AG im Eschen.
Drastische Kostensenkung
Für die gesamte Automotivegruppe des Konzerns wurde Anfang des Monats ein Kostensenkungsprogramm verkündet: „Ziel ist eine weltweite Senkung der Kosten um über 150 Mill. Euro, dies soll unter anderem durch einen Abbau von rechnerisch rund 1800 Arbeitsplätzen erreicht werden“, informiert das Unternehmen Mitarbeiter und Öffentlichkeit. Damit die Laufbänder bei einem der größten Hersteller von Lenksystemen für Kfz weltweit aber weiter laufen, setzt das Unternehmen, in dem hunderte Vorarlberger als Grenzgänger beschäftigt sind, auf ein neues Geschäftsfeld. thyssenkrupp Presta gibt sich zwar noch zurückhaltend, was dieses sensible Geschäftsfeld betrifft. Das Unternehmen in Liechtenstein erwägt nämlich die Fertigung von „Präzisionsbauteilen für die Verteidigungsindustrie“, wie es nun gegenüber Liechtensteiner Medien bestätigt.

„Diese Überlegungen erfolgen im Kontext aktueller geopolitischer Entwicklungen und der steigenden Nachfrage nach verlässlichen Versorgungsketten im Bereich Verteidigung“, so das Unternehmen. Dabei komme für thyssenkrupp Presta ausschließlich eine Zulieferung an die Schweiz und NATO-Staaten in Betracht. Das Unternehmen fühle sich einer verantwortungsvollen und gesetzeskonformen Geschäftstätigkeit verpflichtet. Daher stehen sicherheitspolitische und regulatorische Aspekte im Mittelpunkt der Evaluierung, gießt der Automotive-Riese die Entscheidungsfindung in möglichst staatstragende Sätze.
Umfassende Analyse
Die von der Firma angekündigte „Prüfung umfasst auch die mögliche Fertigung und Lieferung von Prototypen für die Verteidigungsindustrie.“ Man befinde sich in einem frühen Stadium der Analyse und führe nun umfassende Gespräche mit relevanten Interessensgruppen, um eine fundierte Entscheidung zu treffen, heißt es weiter aus Eschen, während im Unternehmen bereits davon die Rede ist, dass relevante Entscheidungen erfolgt seien. Eine Abordnung des Rüstungskonzerns Rheinmetall war bereits für intensive Gespräche vor Ort, wie die VN aus zuverlässiger Quelle erfahren haben. Das Ziel sei es, so das Unternehmen weiter, wirtschaftliche Chancen mit der gesellschaftlichen Verantwortung in Einklang zu bringen. Sobald die nächsten Ergebnisse vorliegen, würden diese transparent kommuniziert, verspricht Ursula Pfitzenmaier von thyssenkrupp abschließend.
Als Rüstungsbetrieb gegründet
Neu ist das Geschäft mit Rüstung für die Eschener freilich nicht. Im Gegenteil: Das heute zum thyssenkrupp-Konzern gehörende Unternehmen wurde 1941 als Press- und Stanzwerk AG (Presta) gegründet. Hinter der Gründung stand der Schweizer Rüstungskonzern Oerlikon-Bührle, der mitten im 2. Weltkrieg im Fürstentum ideale Bedingungen vorfand: billige Arbeitskräfte, wenig Abgaben, keine Kriegsgewinnsteuer, geeignetes Industrieland und genügend Strom, übrigens von den Vorarlberger Kraftwerken geliefert. Ab 1942 stellte die Presta Geschosshülsen her, die an die deutsche Armee geliefert wurden. Im Koreakrieg erlebte das Munitionsgeschäft nochmals eine Blüte, produziert wurden Rüstungsgüter in kleinem Umfang bis in die 1980er Jahren.