Deshalb ist Bodensee-Region für EU-Verteidigung so wichtig

Markt / 28.03.2025 • 16:03 Uhr
Diehl Marschflugkörper
Die Unternehmensgruppe Diehl produziert u. a. Lenkflugkörper und Lenkmunition am Standort in Überlingen. FA

Die EU und Deutschland wollen mit Milliardeninvestitionen Europa verteidigungsfähig machen. Ganz wichtig dafür ist der Wirtschaftsstandort Bodensee, denn er ist ein Zentrum der Rüstungsindustrie.

Schwarzach, Friedrichshafen Der Bodensee ist eine beliebte Urlaubsdestination, die großen Gebäude etwas abseits des Ufers zeigen, dass es auch eine andere Seite gibt: Am deutschen Bodensee sind zahlreiche Rüstungsunternehmen angesiedelt. Dafür gibt es eine Erklärung: Friedrichshafen wurde zum Technologie-Hotspot, nachdem der deutsche General Graf Ferdinand von Zeppelin 1899 die „Aktiengesellschaft zur Förderung der Luftschiffahrt“ gegründet hat.

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Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, unterstützt die Aufrüstung der Defence-Industrie: “Da wollen wir in Baden-Württemberg mitmischen”. AFP/MACDOUGALL

In der Folge wurden Anfang des 20. Jahrhunderts von Zeppelin selbst und von vielen seiner Mitarbeiter eine Vielzahl von Unternehmen gegründet, die den technischen Fortschritt voranbringen sollten und dies auch taten. Die Rüstungsindustrie – ein klassischer Technologietreiber – wuchs, so stark, dass die Allierten Friedrichshafen im zweiten Weltkrieg dem Erdboden gleich machten.

Größter Rüstungscluster

Die Rüstungsbetriebe wurden dennoch bald wieder aktiv und sind es bis heute. Fachleute sprechen vom größten Rüstungscluster Deutschlands, Fachleute schätzen, dass rund 8000 Menschen in den Betrieben militärische Produkte fertigen. Auch am Schweizer Ufer und im Rheintal sind etliche Betriebe als Zulieferer von Armeen tätig. In diesem Bereich werden rund 2000 Mitarbeiter beschäftig. In Vorarlberg sind es lediglich kleine Firmen wie z. B. die Fact Systems, welche Laser Duell Simulationssysteme herstellt, die auf der Lieferantenliste von Militärs zu finden sind. Und in Liechtenstein ist, wie die VN berichteten, thyssenkrupp Presta, wohl bald auch in diesem Geschäft tätig.

Deshalb ist Bodensee-Region für EU-Verteidigung so wichtig

Während über Jahrzehnte die Rüstungsindustrie ihr Dasein im Dunkeln fristen musste, weil sich Politiker oder auch Regionen damit nicht brüsten wollten, schaut es jetzt anders aus. Für den Ausbau im Wehrbereich macht sich sogar der grüne baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann stark. Europa müsse eine potente Rüstungsindustrie aufbauen – “und da wollen wir in Baden-Württemberg mitmischen”, sagte er im Interview mit der Tageszeitung „Südkurier“.  Moralische Dünkel habe er keine: „Ich war nie ein Pazifist“, allerdings gehe es bei der Unterstützung der Unternehmen – von Airbus bis Diehl, von Liebherr bis Rheinmetall – ausschließlich um die Verteidigungsfähigkeit, so Kretschmann. Technologie-Führerschaft müsse dabei der Anspruch in der gesamten Verteidigungswirtschaft sein.

Neue Arbeitsplätze

Die Rüstungsindustrie, die vom gerade beschlossenen Milliardenpaket der neuen deutschen Regierung einen ganz großen Brocken bekommen wird, bietet sich außerdem als potenzieller Arbeitgeber für Beschäftigte der Fahrzeugindustrie an. Vom kriselnden Automotive-Riesen ZF sind bereits Mitarbeiter zum Defense-Spezialisten Rolls-Royce-Powersysteme gewechselt. Gewerkschafter rechnen damit, dass rund zehn Prozent der wegfallenden Automotive-Arbeitsplätze von der Rüstungsindustrie ersetzt werden können.

Airbus Immenstaad
Airbus Defence und Space entwickelt nur wenige Meter vom Bodensee entfernt Drohnenabwehrprogramme und militärische Satelliten. WIKI/Schmitt

Auch die Industrie- und Handelskammer Bodensee Oberschwaben (IHK Bodensee) hat Fährte aufgenommen: Um den Rüstungsboom in Bahnen zu lenken, wurde die Koordinierungsstelle „Gesamtverteidigung“ geegründet. Sie soll in zwei Richtungen tätig sein: Einmal um die Sicherung des Wirtschaftslebens in einem möglichen Verteidigungsfall oder bei hybriden Bedrohungen politisch zu begleiten, zum anderen um die Firmen im sensiblen Bereich Waffenproduktion und bei der Nutzung von Innovations- oder Investitionsprogrammen zu unterstützen, erklärt Jan Stefan Roell, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages, die Aufgabenstellung, zu der auch ein intensiver Austausch mit der deutschen Bundeswehr zählt.