Gerhard Fehr: “Trump bleibt ein unberechenbarer Akteur”

Die VN fragen den angewandten Verhaltensökonomen Gerhard Fehr: Drei Fragen, drei Antworten dazu, was der Zolldeal mit den USA für Europa und den Standort Österreich bedeutet.
War der 15-Prozent-Deal der EU strategische Klugheit – oder eine teure Kapitulation?
Rein wirtschaftlich ist der Deal schwer zu rechtfertigen. Die EU akzeptiert einen Zollsatz, den sie zuvor immer abgelehnt hatte – ohne Gegenzug. Auf den ersten Blick wirkt das wie ein Eingeständnis. Aber: Die Entscheidung war nicht ökonomisch motiviert, sondern strategisch erzwungen. Die EU sah sich mit der realen Gefahr eines Handelskonflikts, einer sicherheitspolitischen Entkopplung und wachsender interner Spaltung konfrontiert. Der Deal war eine bewusste Entscheidung, kurzfristigen wirtschaftlichen Schaden in Kauf zu nehmen, um politisch handlungsfähig zu bleiben. Er war kein Fortschritt, sondern ein Stabilisator – in einem Umfeld, das unter Trump sicherheitspolitisch hochgradig instabil geworden ist.
Was hat Europa im Gegenzug dafür von den USA bekommen?
Sicherheitspolitisch: sehr viel. Praktisch zeitgleich mit dem Abschluss des 15-Prozent-Deals repositionierte sich Trump in der Ukraine-Frage. Am Tag nach der Einigung erklärte er öffentlich Solidarität, stellte Russland unter Druck und sprach von gemeinsamer Verantwortung. Diese Kehrtwende kam nicht aus dem Nichts. Sie war nicht garantiert – aber sie wurde durch den Deal möglich. Europa hat damit kein klassisches Gegengeschäft erhalten, aber einen strategischen Handlungseffekt erzeugt. Für Europa war diese Reaktion wertvoller als jeder zollpolitische Vorteil: Sie verringert strategische Unsicherheit, stärkt Abschreckung und schafft Planbarkeit – in einem Konflikt, der Europas Sicherheitsarchitektur unmittelbar betrifft.
⸻
Bedeutet dieser Deal, dass US-Präsident Trump wieder ein verlässlicher Partner ist?
Nein. Der 15-Prozent-Deal beweist keine Verlässlichkeit – aber er zeigt, dass die EU noch Wirkung entfalten kann. Trump bleibt ein unberechenbarer Akteur. Aber seine plötzliche Kurskorrektur zeigt: Auch unter Instabilität lassen sich strategische Reaktionen auslösen, wenn man klare Signale setzt. Vor Trump war das transatlantische Bündnis selbstverständlich. Heute muss es wieder aktiv hergestellt werden. Dieser Deal hat es – zumindest vorerst – wieder aktiviert. Das ist keine Garantie. Aber es ist ein Beweis für strategisches Restvertrauen – und damit für die fortbestehende politische und damit wirtschaftliche Handlungsfähigkeit Europas.