“Ich habe Hilfe gesucht und keiner hat auf mich reagiert”

Der jahrelange Konflikt um die Beendigung eines Dienstverhältnisses beschäftigt zum wiederholten Mal das Gericht.
Schwarzach, Bregenz Als die junge Buchhalterin Sandra S. am 1. August 2005 bei einem bekannten Bregenzer Unternehmen ihre Stelle antrat, schien ihrer Karriere nichts im Wege zu stehen. Die Frau konnte mit fachlicher Expertise überzeugen, auch das Arbeitsklima bezeichnet sie im Gespräch mit den VN als “gut”. Sie wurde mit anspruchsvollen Aufgaben betraut, die sie zur Zufriedenheit ihrer Vorgesetzten erstens anstandslos und zweitens nach allen Regeln der Buchhalterei erfüllte. Neben dem Hauptbetrieb hat sie noch 18 Betriebe des Unternehmens oder unternehmensnahe Firmen von der Gründung bis zur Bilanzierung betreut.
Hoffnungsvoller Start
Was so hoffnungsvoll begonnen hat, wurde für Sandra S. nach 16 Jahren zu einem bis heute anhaltenden bzw. sich steigernden Drama, das am 15. Dezember 2021 vorläufig mit der Kündigung des Dienstverhältnisses durch den Arbeitgeber endete und am 10. September bereits zum zweiten Mal vor Gericht verhandelt wird. Der Wind drehte sich dramatisch – und das zu einer Zeit, als die Frau auch mit anderen Herausforderungen zurechtkommen musste. Die folgenden Jahre wurden, so schildert es die Frau, zu einer Tortur, und das obwohl oder vielleicht weil sie als junge Mutter nur eingeschränkt und später (etwa wegen der Covid-Vorgaben) von zu Hause aus arbeitete. Befremdet ist sie in diesem Zusammenhang auch darüber, dass ihr 2019 die Heimarbeit nicht verlängert wurde, mit der Begründung, dass sich das Unternehmen die Geräte nicht leisten könne. “Für andere war das aber kein Problem”, so die Frau. Vorläufig geendet hat das mit ihrer Kündigung.
Die wollte Nicole A. (Name geändert) so nicht hinnehmen – sie sei von ihrem direkten Vorgesetzten, der 2017 als Teamleiter installiert und 2022 Nachfolger der bis anhin sehr zufriedenen Abteilungsleiterin wurde, über Jahre gemobbt und schikaniert worden, gab sie vor Gericht zu Protokoll und suchte schon in den Jahren vor der Kündigung deshalb das Gespräch mit Verantwortlichen als auch Mitgliedern der obersten Führungsetage. Dort habe sie auch darauf hingewiesen, dass der Teamleiter ihr auch private WhatsApp-Nachrichten geschickt hat und sie wiederholt zu einem “Jubiläumsessen” gedrängt habe, das sie verweigerte und Kollegen nie bekommen haben. Ergebnis: Auch das wurde ihr schließlich vom direkten Vorgesetzten vorgeworfen. “Ich habe Hilfe gesucht und keiner hat auf mich reagiert”, fasst die Buchhalterin ihre damalige Situation zusammen.
Gespräche endeten in Sackgasse
Die Gespräche und die nun vom Landesgericht zu beurteilenden Vorkommen endeten in einer Sackgasse und der Kündigung während der Elternteilzeit, ohne dass die langjährige Mitarbeiterin zuvor informiert wurde. Auch das auf ihr Verlangen ausgestellte Dienstzeugnis sei nicht das Papier wert gewesen, auf dem es geschrieben wurde. Das sei das Ergebnis einer Konsultation der Arbeiterkammer gewesen, wo sie das Zeugnis vorgelegt habe. Der Betriebsrat wurde deshalb nicht tätig, weil es gar keinen Angestelltenbetriebsrat im Unternehmen gebe, “obwohl eine Betriebsratsumlage vom Lohn abgezogen wurde”. Warum sie gekündigt wurde, war bis heute nicht zu erfahren, wie ein Blick in die inzwischen erstellten Gutachten und das Gespräch mit Nicole A. aufzeigt: Die Führungskraft der Personalabteilung verweigerte ihr die Begründung: “Den wahren Grund wirst du nie erfahren”, habe man ihr erklärt. In der Zwischenzeit hat sie auf die Situation am Arbeitsplatz auch gesundheitlich reagiert, wie eine ärztliche Expertise, die dem Gericht vorliegt, zeigt.
Ärztliches Gutachten
“Die mobbingbedingten Krankheitsbilder der Angststörung, Panikattacke und Schlafstörungen stellen massive Dauerzustände dar. Gleiches gilt für die damit verbundenen Symptomatiken wie Bluthochdruck, Herzrasen und Herzstechen. Hinzu kommen permanente Kopfschmerzen, die die Klägerin auch zu Physiotherapie-Behandlungen im Jänner 2022 zwangen”, ist im ärztlichen Gutachten nachzulesen, auch eine Thrombose setzte der Frau zu. Dass der Arbeitgeber jegliche Entschädigung ablehnt, spreche auch nicht dafür, dass die zahlreichen Auszeichnungen des Unternehmens vom “Trend Top Arbeitgeber” bis zum “Familienfreundlichen Betrieb” ernst zu nehmen seien, so die ehemalige Mitarbeiterin, die bereits Tausende Euro in die rechtliche Auseinandersetzung investiert hat und nun auf ein Urteil hofft, das die für sie schmerzhaften Jahre auch nur halbwegs ausgleichen könnte.” Sie stellt im VN-Gespräch aus ihrer Sicht fest, dass nicht etwa sie falsch gehandelt habe, sondern der unmittelbare Vorgesetzte Grenzen überschritten habe – mit schwerwiegenden Folgen für Nicole A. und ihre Familie.
Dass ihr langjähriger Arbeitgeber einen solchen Weg eingeschlagen habe, sei für sie unfassbar, sagen sie und ihr Rechtsvertreter im Vorfeld des Prozesses im Gespräch mit den VN und verweisen dabei auf das Gutachten zu den verschiedenen Aspekten der Causa.