“Die Deindustrialisierung hat längst begonnen”

Markus Comploj über fehlende Planbarkeit und bedrohliche Prozesse.
Das neue Schuljahr hat begonnen. Was erwartet sich die Industrie vom Bildungssystem?
Bestens ausgebildete Fachkräfte sind eine Stärke der Vorarlberger Industrie. Die Grundlage dafür wird in den heimischen Schulen geschaffen. Wir erwarten uns eine verlässliche und sichere Basisbildung, vor allem beim sinnerfassenden Lesen und den Grundrechnungsarten gibt es leider große Lücken. Zu begrüßen ist das kürzlich vorgestellte Bildungsmonitoring, denn auch Bildung und Bildungsfortschritt können gemessen werden. Das Bildungsmonitoring und die Politik müssen allerdings erst zeigen, dass sie bekannten Schwachstellen mit wirksamen Maßnahmen begegnen. Wir haben hier oft kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Es muss in wirksame Bildung investiert werden und nicht in das Bildungssystem.
Die Bundesregierung hat ein Konjunkturpaket erstellt. Was halten Sie davon?
Die geplanten Maßnahmen sind gut und besser als nichts. Wichtiger und wirksamer wäre eine Beruhigung auf den diversen internationalen Krisenherden. Wirtschaft braucht Planbarkeit und die ist aktuell nicht gegeben. National sind noch zahlreiche Hausaufgaben zu erledigen – der Staatsanteil am BIP ist viel zu hoch! Problem sind dabei weiterhin die Ausgaben und nicht die Einnahmen, wir bezahlen alle mehr als genug Steuern. Die Deindustrialisierung, also die Verlagerung von Produktion ins Ausland, hat längst begonnen und ist ein bedrohlicher, wenn auch schleichender Prozess. Ganz entscheidend wird auch sein, dass wir international wettbewerbsfähige Energiepreise bekommen.
Die EU steht immer wieder in der Kritik. Was sollte sie tun, um der Wirtschaft zu helfen?
Den Wert der EU kann man gar nicht hoch genug schätzen, wenngleich die internen Prozesse leider komplex sind. Auch auf EU-Ebene muss das Ziel sein, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu verbessern. Das kann auch kostenfrei durch eine Lockerung der massenhaften Regulierungen funktionieren. Den Klimawandel beispielsweise wird die EU allein nicht aufhalten können. Mit einem Alleingang kann jedoch die heimische Wirtschaft ruiniert werden. Daher: weniger ist mehr – ein Moratorium mit einem befristeten Aussetzen von Regulierungen würde uns schon sehr helfen.