Bilanz ohne Kompass – Vorarlbergs Finanzpolitik im Blindflug

Vorarlberg steht vor einem ernüchternden Befund: Nach einem Jahrzehnt voller Rekordeinnahmen, steigender Bundeszuweisungen und guter Konjunktur schreibt das Land erneut tiefrote Zahlen. Rund 200 Millionen Euro Neuverschuldung – das ist kein Betriebsunfall, sondern das Resultat einer Finanzpolitik, die sich selbst “wirtschaftskompetent” nennt, in Wahrheit aber von der eigenen Ausgabendynamik überrollt wird.
Die Fakten sind eindeutig: Die Einnahmen wachsen nur moderat, die Ausgaben explodieren. Personal, Gesundheit und Soziales verschlingen inzwischen mehr als 70 Prozent des Budgets. Jeder zusätzliche Euro wird konsumiert, statt nachhaltig investiert. Strukturelle Reformen? Fehlanzeige. Statt das Land auf Zukunft zu trimmen, werden alte Systeme verwaltet. Das Budget ist kein Steuerungsinstrument mehr – es ist ein Selbstläufer geworden: teuer, träge, vergangenheitsorientiert.
Noch alarmierender ist die Investitionsschwäche. Nur rund vier bis fünf Prozent der Ausgaben fließen in Infrastruktur, Innovation oder Transformation. Während die Unternehmen im Land unter globalem Wettbewerbsdruck ihre Geschäftsmodelle anpassen, digitalisieren und neu denken müssen, finanziert die Landesregierung den Status quo. Sie investiert in den Erhalt, nicht in den Fortschritt – und gefährdet damit die Zukunftsfähigkeit des Standorts.
Hinzu kommt: Die Zinsen sind zurück. Jahrelang ignoriert, steigen sie nun rasant – und machen jede neue Schuld spürbar teurer. Trotzdem wird weiter so getan, als wäre das kein Problem. Eine Regierung, die sich Wirtschaftskompetenz auf die Fahnen schreibt, sollte zumindest rechnen können. Doch offenbar ist der Taschenrechner tatsächlich verloren gegangen.
Vorarlberg lebt zunehmend über seine Verhältnisse – ohne klare Prioritäten, ohne Reformkurs, ohne erkennbare Vision. Steigende Fixkosten, steigende öffentliche Beschäftigung, sinkende Investitionsquoten und wachsende Abhängigkeit von Wien sind Ausdruck politischer Bequemlichkeit. Unternehmen kämpfen um Wettbewerbsfähigkeit – die Landespolitik kämpft ums Weitermachen wie bisher.
Budgetäre Disziplin verlangt mehr als Verwaltung: Sie braucht ein Zukunftsbild, einen Plan, Mut, Gestaltungswillen, Transparenz und Ehrlichkeit. Genau das fehlt – und genau das erwartet das Volk jetzt von unserer Landesregierung.
Oft wird gefordert, die Bevölkerung müsse mehr über Wirtschaft und Finanzen lernen. Das stimmt – aber Bildung lebt auch von Vorbildern. Wenn Politik glaubwürdig über finanzielle Verantwortung sprechen will, muss sie selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Wer von Bürgerinnen und Bürgern wirtschaftliches Denken erwartet, sollte zuerst im eigenen Haus zeigen, wie solide Budgetführung, Prioritätensetzung und Zukunftsinvestitionen tatsächlich aussehen. Nur dann wird Finanzbildung mehr als ein Schlagwort – nämlich gelebte Verantwortung.