Wirtschaftskammer Österreich: “Bauchspeck in Servicemuskel verwandeln”

Staatssekretär Sepp Schellhorn ist ein Politiker, an dem sich die Opposition gerne und oft abarbeitet. Er bietet auch Angriffsflächen: Jetzt will er nicht nur für weniger Bürokratie sorgen, sondern auch für die Neuaufstellung der WKÖ.
Bregenz Sepp Schellhorn ist Gastwirt, als solcher war er ein Star in den sozialen Medien und jetzt ist er als Staatssekretär für Deregulierung für die Eindämmung der Bürokratie verantwortlich. Seine Social-Media-Präsenz musste er allerdings im politischen Amtes aufgeben. Dass der Neos-Politiker trotzdem immer gut für eine Kontroverse ist, zeigte er nicht nur einmal. Denn er hält nichts davon – da sind sich politische Gegner wie Freunde und Beobachter einig –, seine Anliegen diplomatisch zu verklausulieren. Das macht Gegner, aber auch Freunde. Bei seinem Besuch in Vorarlberg anlässlich der Tourismuswoche waren die Freunde eindeutig in der Mehrzahl. Denn Schellhorn weiß aus eigener Erfahrung ganz genau, was die Gastronominnen und Gastronomen bewegt.
“Manager von außen”
Wie ihn bewegt die Tourismusunternehmer derzeit natürlich auch, was in der Wirtschaftskammer Österreich vor sich geht. Im Gespräch mit den VN nahm er zu seinen Bürokratieabbauplänen und zur Kammer Stellung. Für ihn ist die Sache nicht mit dem Rücktritt von Harald Mahrer als Präsident der Interessenvertretung erledigt. Für die Reform der Kammer brauche es “einen Manager von draußen”, was gleich passieren müsse, ist “eine spürbare Entlastung für die Mitglieder”, sagt er. Und er weiß auch, wo man ansetzen kann: “Die Kammerumlage 2 wurde als Solidarbeitrag eingeführt. Mittlerweile geht es allen Unternehmen in Österreich schlecht, darum sollte man die KU2 sofort abschaffen.” Es brauche eine klare Transparenz im unausweichlichen Reformprozess. Immerhin kennt er die Frühstarter: “In Vorarlberg hat man schon früher versucht, die Wirtschaftskammer auf neue Beine zu stellen. Da hat es vom damaligen Präsidenten Hans-Peter Metzler vielversprechende Initiativen gegeben”, berichtet er und erklärt, was er sich von der Wirtschaftskammer erwartet: “Der fette Bauchspeck der Kammer muss sich in einen Servicemuskel verwandeln.”

Er weiß, wo Geld gespart werden könnte: “Wozu brauchen wir über 1000 Bezirksstellen der Kammer (Anmerkung: In Vorarlberg gibt es keine WK-Bezirksstellen), wozu neun Landeskammern? Warum nicht nur drei?”, fragt Schellhorn, der nicht damit hinterm Berg hält, dass das Ziel einer Reform nach seinen Vorstellungen die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft ist. “Es sind freiwillige Interessenvertretungen wie die Hoteliervereinigung, die Industriellenvereinigung oder der ÖAMTC, die Dinge vorantreiben”.
160 mal deregulieren
Was er derweil als Staatssekretär voranbringt – voranbringen will und muss – ist der Bürokratieabbau. Vor Kurzem hat er den Koalitionspartnern 160 Vorschläge zur Deregulierung und Entbürokratisierung vorgelegt. Unter den vielen kleinen Einzelmaßnahmen, über die die Neos nun mit ÖVP und SPÖ beraten, sind Dinge wie verlängerte Öffnungszeiten für Selbstbedienungsläden, eine Erhöhung der Umsatzgrenze für die Registrierkassenpflicht, eine Verlängerung der Pickerl-Intervalle für Pkw oder die Einführung einer zentralen Lohnmeldestelle. Das sei aber nur der Beginn, sagt Schellhorn im Gespräch mit den VN. “Die 160 Vorschläge sind vorbereitet und beschlussfähig”, am 3. Dezember können sie von der Regierung ohne weitere Vorbereitungen an den Nationalrat zum Beschluss weitergereicht werden.
“Wir haben 600 Maßnahmen im Pool, und insgesamt über 3000 Vorschläge zum Bürokratieabbau”, berichtet der Staatssekretär. Und um auf den Anlass von Schellhorns Besuch im Land zurückzukommen: Etliche Erleichterungen soll es auch für die Tourismusbranche geben. “Es braucht Klarheit in der Gesetzgebung”, so der Politiker, Themen seien etwa die Übergabe von Betriebsstätten und Betrieben, aber in Vorarlberg speziell auch der Lärmpegel ist ein Thema. “Der Austausch am Tourismustag war sehr gut, auch mit den Wirtschaftskammer-Funktionären”, resümiert Schellhorn.