“Wir stehen vor dem größten Generationenwechsel der letzten Jahrzehnte”

Unternehmerin Verena Eugster zeigt auf, wie Gründer vom Nachfolgemarkt profitieren können.
Österreichische Unternehmen stehen vor einem massiven Generationenwechsel. Warum sind erfolgreiche Betriebsübergaben so wichtig?
Wir stehen vor dem größten Generationenwechsel der letzten Jahrzehnte – und das ist keine Randnotiz, sondern eine wirtschaftliche Zeitenwende. 7792 Übernahmen allein 2024, über 35.000 seit 2020 – und der eigentliche Peak kommt erst. Wenn wir diese Übergaben nicht schaffen, verlieren wir nicht nur Arbeitsplätze, sondern ganze Wertschöpfungsketten. Noch schlimmer: Mit jedem Betrieb, der keine Nachfolge findet, gehen Erfahrung, Know-how und unternehmerisches Herzblut verloren. Erfolgreiche Übergaben entscheiden darüber, ob Österreich ein Wirtschaftsstandort mit Zukunft bleibt – oder ob wir mühsam aufholen müssen, was wir heute verschlafen.
Gleichzeitig sinkt der Anteil familiärer Nachfolgen. Was bedeutet das für junge Unternehmer:innen?
Kurz gesagt: Die Familiennachfolge wird seltener – und genau hier öffnen sich Türen für junge Unternehmer:innen. Nur mehr 55 Prozent der Übergaben finden innerhalb der Familie statt. Der Rest wird extern gesucht. Dadurch entsteht einer der stärksten Nachfolgemärkte, die Österreich bislang gesehen hat. Für junge Gründer:innen bedeutet das: Statt bei Null anzufangen, können sie in funktionierende Strukturen springen, mit etablierten Teams starten und sofort Wert schaffen. Wer heute als Jungunternehmer:in anpackt, kann ganze Unternehmen modernisieren, transformieren und Zukunft hineintragen – und zwar viel schneller, als es durch Neugründungen allein möglich wäre.
Was muss die Politik tun, um Nachfolgen schneller, einfacher und unbürokratischer zu machen?
Die Politik darf nicht länger zuschauen, wie Betriebsübergaben an Formularen, Steuern und Bürokratie scheitern. Wir fordern seit Jahren ein echtes Entlastungspaket – und zwar nicht kosmetisch, sondern wirksam. Konkret bedeutet das, dass der Freibetrag bei Veräußerungsgewinnen – wie im Regierungsprogramm verankert – von derzeit 7300 auf 45.000 Euro steigen muss. Alles darunter wäre kaum mit der aktuellen wirtschaftlichen Situation vereinbar. Zudem sollen private Beteiligungen an Übernahmen bis 100.000 Euro über fünf Jahre als Freibetrag absetzbar sein, um privates Kapital gezielt für Unternehmensnachfolgen zu mobilisieren. Analog zum Startup-Rat brauchen wir außerdem einen Nachfolgerat, der Trends, Barrieren und Chancen analysiert und die Bundesregierung berät, damit dieses Thema nicht länger im Schattendasein bleibt. Kurz: Betriebsübernahmen sichern Wachstum, Jobs und Wohlstand – und verdienen genauso viel politische Aufmerksamkeit wie Gründungen. Wer die nächste Wirtschaftsperiode gestalten will, muss das Thema Nachfolge endlich ganz nach oben auf die Agenda setzen.