„Angela Merkel hat abgesagt“

Olli Dittrich über seine neue TV-Persiflage und warum er kein Journalist geworden ist.
Hamburg Für viele ist er der klügste Komiker seit Loriot: Olli Dittrich gehört zu Deutschlands profiliertesten Entertainern. In seinem satirischen „TV-Zyklus“ nimmt er regelmäßig zum Jahresende das Fernsehprogramm liebevoll auf die Schippe. In der neuen Folge „Ich war Angela Merkel: Das Zahlemann-Protokoll“ (heute, ARD, 23.45 Uhr) spielt der 65-Jährige einen Reporter, dem Angela Merkels alte Handynummer zugeteilt wird und der daraufhin in ihrem Namen Textnachrichten verschickt: Das Chaos ist programmiert.
Herr Dittrich, in Ihrer neuen TV-Parodie „Ich war Angela Merkel: Das Zahlemann-Protokoll“ schlüpfen Sie zum wiederholten Mal in die Rolle des Reporters Sandro Zahlemann. Was ist das für ein Typ?
Dittrich Sandro Zahlemann ist der klassische Außenreporter des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Immer auf Zack, immer am Ball. Bei Wind und Wetter berichtet er – sogar wenn es nichts zu berichten gibt. Zahlemann weiß dann trotzdem seine 30-sekündige Schalte vom Ort des Geschehens in den Hauptnachrichten mit Inhalt zu füllen. Sandro ist dienstbeflissen, dabei heiter und stabil in seinen Überzeugungen. Oder, wie es andere ausdrücken: Übermut, Unbelehrbarkeit und gelegentlich renitentes Vorgehen auch Vorgesetzten gegenüber prägen seinen eigentlich liebenswerten Charakter.
Beim Abschluss eines neuen Mobilfunkvertrags bekommt er versehentlich die alte Handynummer von Angela Merkel …
Dittrich Wenn man Sandro Zahlemann kennt, dann ahnt man, was ein derartig umtriebiger Charakter anzustellen vermag, wenn ihm diese Möglichkeiten in die Hände fallen. Natürlich versucht er zunächst, diesem Irrtum entgegenzutreten, aber er kommt überhaupt nicht weiter, er wird nicht ernst genommen und abgewimmelt. Er beginnt, als Angela Merkel SMSen zu beantworten. Und damit natürlich auch in politische Vorgänge einzugreifen. Vieles, was die teils überraschende Entwicklung der CDU/CSU 2021 betrifft, lässt sich nun anders erklären: Sandro Zahlemann hat an den Schrauben gedreht.
Wie kamen Sie auf die Idee zum „Zahlemann-Protokoll“?
Dittrich Nach unserer äußerst erfolgreichen Mockumentary „House of Trumps – Peter, ein deutsches Geheimnis“, punktgenau zur US-Präsidentschaftswahl 2020 gesendet, wurde von der ARD etwas Ähnliches für dieses Jahr gewünscht. Passend zu den Anlässen Bundestagswahl und Ende der Merkel-Ära. Da haben wir dann losgelegt.
Kennen Sie Angela Merkel persönlich?
Dittrich Ich bin ihr vor sehr sehr langer Zeit einmal kurz begegnet, daran wird sie sich natürlich nicht mehr erinnern. Aber wir haben sie selbstverständlich für diesen Film angefragt. Ich hatte mir ein schönes, kurzes Statement für sie ausgedacht, das wäre die letzte Szene des Films geworden. Ein Goldkorn ganz zum Schluss. Sie hat sich sehr nett und äußerst respektvoll für die Anfrage bedankt, aber verständlicherweise abgesagt.
Sie machen sich schon seit den Zeiten von „RTL Samstag Nacht“ über Journalismus lustig. Haben Sie jemals mit dem Gedanken geliebäugelt, selber Journalist zu werden?
Dittrich Mein Vater, in Dresden geboren, war Journalist, und ich bin mit den Alltags-Interna des klassischen Print-Journalismus groß geworden. In seine Fußstapfen zu treten war aber nie ein Thema, dazu waren meine Interessen und Talente einfach anders ausgerichtet, auch wenn uns die Leidenschaft fürs Schreiben und der Umgang mit Sprache und freier Rede sicher verbunden haben.
Sind die Parodien Ausdruck einer Liebe zum Fernsehen, die vom Programm allzu oft enttäuscht wird?
Dittrich Nein, dahinter steckt keine derartige Ideologie, keine Botschaft, kein mahnender Zeigefinger. Es ist von jeher die Liebe zur Verwandlung in andere Charaktere. Und als solche Geschichten zu erzählen. Wie immer man das Pferd dann auch aufzäumt.
Geht der TV-Zyklus eigentlich weiter?
Dittrich Ideen gibt es immer. SKI
