Pionierin und Urgestein

Menschen / 10.03.2022 • 16:59 Uhr
Ein eingespieltes Team (v.l.): Ingrid Rüscher, Stephanie Rüscher und Nicole Klocker-Manser, die neue Obfrau des Vereins Integration Vorarlberg.

Ein eingespieltes Team (v.l.): Ingrid Rüscher, Stephanie Rüscher und Nicole Klocker-Manser, die neue Obfrau des Vereins Integration Vorarlberg.

Ingrid Rüscher stellte in Vorarlberg die Weichen für Integration und Inklusion.

Andelsbuch Pionierin und Urgestein: Ingrid Rüscher (64) darf sich beide Attribute auf die Fahnen heften. Seit mehr als 30 Jahren setzt sie sich für die Integration bzw. Inklusion von Menschen mit Behinderung ein und hat dabei nie lockergelassen. Morgen, Samstag, wird im Frauenmuseum in Hittisau unter den Titel „Blickwechsel“ eine Ausstellung über inklusive Lebenswege eröffnet. Pionierinnen von Integration Vorarlberg geben dabei Einblicke in ihr Leben als Familie mit einem Kind mit Behinderung. Ingrid Rüscher hat viel Erfahrung damit. Ihre Tochter Stephanie ist inzwischen 40 und kann ihr Leben dank Unterstützung nach eigenem Gutdünken gestalten. „Ich wünsche mir, dass solche individuellen Lebenskonzepte für alle Menschen mit Behinderung, die das möchten, möglich werden“, sagt Rüscher.

Einfach dazugehören

Was sich einfach anhört, erforderte jedoch viel Einsatz. Als die Mutter feststellte, dass es für Stephanie weder im Kindergarten noch in der Schule in Andelsbuch einen Platz gab, nahm sie das Heft selbst in die Hand. Gemeinsam mit Pädagogen besuchte Ingrid Rüscher in Reuthe in Tirol ein Symposium zum Thema Integration. „Dort sprachen Wissenschaftler und Pädagogen über die Möglichkeiten, Vorteile und Chancen für Kinder mit Beeinträchtigung in Regelkindergärten und -schulen“, erzählt Rüscher. Es war genau das, was sie sich für Stephanie so sehr wünschte, nämlich ein Aufwachsen in ihrem natürlichen sozialen Umfeld. Das Mädchen sollte einfach dazugehören wie andere Kinder auch. „In Vorarlberg war Integration damals noch etwas völlig Neues und die Skepsis groß“, erinnert sich Ingrid Rüscher. Trotzdem fanden sich auch Menschen, vor allem Pädagoginnen und Pädagogen, die sich gemeinsam mit ihrer Familie auf dieses Abenteuer einlassen wollten. So gab es 1988 die ersten integrativen Schulversuche in Vorarlberg. Ein Jahr später gründete Rüscher mit anderen Eltern den Verein Integration Vorarlberg, dessen Vizeobfrau sie seitdem ist. Auf schulischer und beruflicher Ebene konnte viel erreicht werden. Heute stehen Wohnen und Freizeit groß auf der Agenda des Vereins. „Hier wäre Inklusion noch ausbaubar“, merkt sie an.

Auch in ihrem beruflichen Alltag kümmert sich Ingrid Rüscher um vieles und viele. „Ich bin offen für die Sorgen der Menschen, die zu uns kommen, und unterstütze, wo es notwendig ist“, erklärt sie ihr soziales Engagement, das über die medizinische Hilfe oft hinausgeht. Rüscher hört und schaut hin und wird aktiv, wenn es die Situation erfordert. Sie bedauert, dass Menschen mit Beeinträchtigungen und deren Familien immer noch mit vielfältigen Barrieren konfrontiert sind. „Neben materiellen Hindernissen sind es besonders Haltungen, Überzeugungen und Einstellungen, die erschweren und behindern“, wird sie konkret. Die Ausstellung soll sensibilisieren, Ängste abbauen und nicht zuletzt auf die Rechte von Menschen mit Behinderung aufmerksam machen. VN-MM

„Neben materiellen Hindernissen behindern immer noch Haltungen und Einstellungen.“

In der Ausstellung
In der Ausstellung “Blickwechsel” im Frauenmuseum Hittisau werden in Videos inklusive Lebenswege vorgestellt.
Auch in der Ordination ihres Vaters Rudolf ist Stephanie (2.v.r.) eine wertvolle und geschätzte Unterstützung.Angela Lampert
Auch in der Ordination ihres Vaters Rudolf ist Stephanie (2.v.r.) eine wertvolle und geschätzte Unterstützung.Angela Lampert

Zur Person

Ingrid Rüscher

Alter 64 Jahre

Wohnort Andelsbuch

Familie verheiratet, 3 Kinder

Laufbahn Ausgebildete Pädagogin für hauswirtschaftliche Berufsschulen; mehrjährige Lehrtätigkeit, vor 25 Jahren in die allgemeinmedizinische Praxis ihres Mannes gewechselt; medizinische Weiterbildung mit Schwerpunkt Ernährungsberatung

Hobbys Skifahren, Langlaufen, Radfahren

Soziales Engagement: Seit 1989 Vizeobfrau des Vereins „Integration Vorarlberg“, Mitinitiatorin des Arbeitsplatz-Projekts Spagat