„Ich hatte keine Berührungsängste“
Wotan Wilke Möhring über seine Inklusions-Komödie und die Dreharbeiten mit beeinträchtigten Menschen.
berlin Er gehört zu Deutschlands populärsten Schauspielern, Millionen Krimifans kennen ihn vor allem als „Tatort“-Kommissar: Wotan Wilke Möhring. In seinem neuen Film „Weil wir Champions sind“ (Mittwoch, 20.15 Uhr, Vox) spielt Möhring einen Basketballcoach, der als Sozialstrafe dazu verdonnert wird, kognitiv beeinträchtigte Sportler zu trainieren – sie werden ausnahmslos von Menschen mit Behinderung verkörpert. Der Schauspieler im Interview.
In „Weil wir Champions sind“ spielen Sie einen Basketballtrainer, den der Erfolg rücksichtslos und egoistisch gemacht hat. Hat Ihr Schauspiel-Erfolg Sie ebenfalls verändert?
möhring Ich war ja schon 30, als ich mit dem Schauspielen angefangen habe. Ich habe heute drei Kinder, ich habe genug im Leben erfahren und lernen dürfen, ich glaube zu wissen, was wichtig ist. Erfolg ist in vielerlei Arten messbar, kann natürlich eine schöne Bestätigung sein, ist aber auch launisch und flüchtig.
Der Trainer betreut im Film Menschen mit Beeinträchtigung. Hatten Sie Berührungsängste?
möhring Ich hatte überhaupt keine Berührungsängste, sondern habe mich darauf gefreut. Ich kenne solche besonderen Menschen, auch aus dem privaten Umfeld. Außerdem hatten wir früher an unserer Schule noch eine Conterganklasse, und später habe ich ein Sozialpraktikum in den USA gemacht in einer inklusiven Dorfgemeinschaft. Das war eine bereichernde Zeit mit tollen Begegnungen.
Sie vermeiden bewusst das Wort Behinderung.
Möhring Genauso ist es, denn das ist eine intolerante und wie ich finde unzureichende Bezeichnung. Eine, die ausschließlich das hervorhebt, von dem wir glauben, was diese Menschen alles nicht können. Wir sprechen ihnen einfach die Fähigkeiten ab, die wir besitzen, erkennen aber nicht ihre möglichen Fähigkeiten, die wir vielleicht nicht haben.
Welche Fähigkeiten meinen Sie?
Möhring Mal abgesehen davon, dass ich fest davon überzeugt bin, dass jeder Mensch das gleiche Recht hat, seinen Beitrag beizusteuern, kann man beobachten, dass zum Beispiel gerade was das soziale Verhalten angeht, wir einiges von diesen Menschen lernen können. Dass es auch ohne Neid und Missgunst geht, sondern mit großer Herzlichkeit und offenen Karten. Zwischendurch bei den Dreharbeiten habe ich mir sogar mal gedacht: Vielleicht haben die ja die Lösung für den Weltfrieden?
Was waren die Besonderheiten bei den Dreharbeiten?
Möhring Es war zunächst nötig, Personen zu finden, die im richtigen Alter waren, denen man Basketball in Grundzügen beibringen konnte, die sich bestimmte Texte merken konnten und denen man die Dreharbeiten zumuten konnte. Außerdem mussten sie ja nicht einfach nur sie selber sein, sondern auch noch eine Figur darstellen. Auch Eltern und Betreuer mussten zustimmen. Es wurde also lange und intensiv gecastet, und es wurde vorab mit mehr Drehtagen geplant, damit alle in Ruhe arbeiten konnten.
Es gibt auch Gags, bei denen das Publikum über die Sportler lächeln darf…
Möhring Warum denn auch nicht? Es ist ja eine Komödie. Diese Menschen haben selbst einen großartigen Humor. Wie die sich selbst und gegenseitig veräppeln und hochnehmen, frei und ohne zu verletzen, davon können wir uns eine Scheibe abschneiden.
Worum geht es Ihnen persönlich bei diesem Film?
Möhring Dass wir uns immer wieder die Fragen stellen: Wer bestimmt, was normal ist? Was ist normal? Ist nicht die Normierung der große Fehler, der uns die ganze Bandbreite der menschlichen Gesellschaft nimmt?
Müsste das deutsche Fernsehen noch diverser werden?
Möhring Unbedingt. Die alltägliche Grundhaltung der Gesellschaft diesem Thema gegenüber ist das Problem. Es geht darum, ob wir diese Menschen wirklich willkommen heißen. Auf der technischen Ebene hat sich unsere Gesellschaft weiterentwickelt, sozial leider nicht.
Sie haben ein Buch mit Ihrem Bruder Sönke veröffentlicht, der Ihnen darin eine unbequem direkte Art attestiert. Ecken Sie damit manchmal an?
Möhring Ganz ehrlich, so richtig verstehe ich gar nicht, warum man nicht direkt sein sollte. Warum muss man es anders sagen, als man es meint? Dieses berechnende Verhalten geht diesen besonderen Menschen ab, und das finde ich so herrlich befreiend. ski