Im Wald mit Plumpsklo und kaltem Wasser

Menschen / 27.10.2022 • 17:32 Uhr
120-mal führte der Waldpädagoge Kinder und Erwachsene durch den Wald. Udo Mittelberger
120-mal führte der Waldpädagoge Kinder und Erwachsene durch den Wald. Udo Mittelberger

Für den Waldpädagogen, Förster und Autor ist es ein Geschenk, wenn rund um ihn nur Bäume sind.

Bregenz Schreibende Förster haben in Vorarlberg eine lange Tradition. Josef Henrich (1879-1943), der bereits 1900 eine Roman-Trilogie mit dem Titel „Wenn der Wald stirbt“ veröffentlichte, war einer von ihnen. Oder der Mundart- und Heimatdichter Armin Diem (1903-1951), dessen Gedichte noch heute gegenwärtig sind. Und natürlich Jürgen-Thomas Ernst, der sich in seiner jüngsten Veröffentlichung ganz dem Wald und seinen Geheimnissen widmet. Der 56-Jährige mischt mit seinem 304 Seiten zählenden Naturführer nun in der Vielzahl der zeitgeistig erschienen Wald- und Bäume-Literatur mit. Man könnte meinen der Trend lautet, jedem Verlag sein Wald-Buch. Der Bregenzer sieht sich daher immer wieder mit der Frage konfrontiert: Braucht der Markt noch so ein Buch?

Mandarinen im Wald

Ernst schmunzelt, bevor er antwortet: „Unbedingt, denn über die Geheimnisse, die die eigentliche Faszination ausmachen, wissen nur wenige Menschen Bescheid.“ So kann in seinen Wald-Führungen kaum einer der Teilnehmenden Fragen beantworten wie: wo im Wald duftet es nach Mandarinen oder was ist ein Kienspan und wofür hat man ihn in früheren Zeiten verwendet? Es sind die kleinen Dinge, an denen Spaziergänger einfach vorbeilaufen, weil sie nur gesehen werden, wenn man sie kennt und weiß, wo man suchen muss. „In meinem Buch lasse ich die lesenden Waldliebhaber staunen, was es alles zu entdecken gibt, wenn sie achtsam den Blick dafür schärfen“, sagt der leidenschaftliche Waldpädagoge, dessen Projekte 2019 mit dem Vorarlberger Schutzwaldpreis und 2021 mit dem Internationalen Schutzwaldpreis ausgezeichnet wurden.

Aber auch der Braumüller Verlag ist vom Erfolg überzeugt und wagt sich mit einer Erstauflage von 10.000 Stück auf den umkämpften Markt. Eine gute Entscheidung, denn „Geheimnisse des Waldes“ ist beim Morawa Sachbuch schon seit Wochen auf Nummer eins und das Leserinteresse dementsprechend groß. Das spiegelt sich auch in den zahlreichen Einladungen wider, etwa zur größten Buchmesse Österreichs, der Buch Wien Ende November, oder jetzt in die TV-Sendung „Stöckl“. Wie es dazu kam? Ohne dass er es wusste, erschien bei der Präsentation seines Buches im September in Wien ein Sendungs-Scout. „Er hat mich die ganze Zeit mit Fragen gelöchert und ständig unterbrochen, was mir äußerst unangenehm war. Ich wusste überhaupt nicht, was er von mir wollte.“ Das ist inzwischen klar und Ernst kann darüber lachen.

Erfolgsgekrönt 

Dennoch müsse er sich an so eine prominente Rolle erst gewöhnen. „Aus der Literatur kenne ich das so nicht.“ Dabei hat er in der Szene durchaus Rang und Namen. Ernst bekam unter anderem den Theodor-Körner-Preis für das Theaterstück „Karoline Redler“ und belegte mit der Erzählung „Venedig“ den 3. Preis beim Irseer Pegasus. Außerdem durfte er sich über den 1. Platz beim Wimberger Literaturpreis, den Sir-Walter-Scott-Preis und zahlreiche Stipendien mit Arbeitsaufenthalten freuen.

Inspirationsquelle

Wo er sich da wohl aufhielt? Natürlich im Wald. Im vergangenen Jahr etwa verbrachte er einige Zeit im Nationalpark Gesäuse. „Dort wohnte ich in einer Jagdhütte ohne fließend Wasser und mit Plumpsklo vor dem Haus.“ Doch was für andere ein Horrorszenario darstellen würde, bezeichnet der Naturmensch als Glücksfall. Für Ernst ist die Natur ein Rückzugsort und eine Inspirationsquelle. „In Wäldern fühle ich mich am wohlsten“, gibt er ehrlich zu und man braucht gar nicht mehr weiter zu fragen, warum er Förster geworden ist. Dennoch hat der Vater zweier erwachsener Kinder seine endgültige Berufung in der Waldpädagogik gefunden. „Wenn ein Kind nach zwei Stunden im Wald zu mir sagt: Das ist viel besser als Schule, ist dieser Satz für mich das größte Geschenk.“

Dann weiß der Waldfreund, dass er einen ersten Samen gepflanzt hat, der irgendwann Früchte tragen wird. Früchte, die das Überleben des Waldes sichern und damit auch das Überleben des Menschen. Dann hat sich die Arbeit als Waldpädagoge all die Jahre gelohnt. CRO

„Ich glaube, es ist mein sozialer Auftrag, den Menschen zu zeigen, was Natur und Wald ist.“

Der Vorarlberger Schriftsteller vor der Basilika Rankweil mit seinem Buch „Vor hundert Jahren und einem Sommer“. 
              
              Johannes Fink
Autor Jürgen-Thomas Ernst bei der V-Lesung im Garten des neuen Literaturhauses in Hohenems. Frauke Kühn
Autor Jürgen-Thomas Ernst bei der V-Lesung im Garten des neuen Literaturhauses in Hohenems. Frauke Kühn
In der Bibliothek Montafon las der Bregenzer vor zahlreichen Besuchern. Bibliothek Montafon
In der Bibliothek Montafon las der Bregenzer vor zahlreichen Besuchern. Bibliothek Montafon

Zur Person

Jürgen-Thomas Ernst

Geboren 10. September 1966 in Lustenau

Wohnort Bregenz

Beruf Förster, Waldpädagoge, Schriftsteller, Leiter von Schreibworkshops für Kinder- und Jugendliche (Schulhausroman, Natural Writing, …)

Familie Lebenspartnerin Dragana, zwei erwachsene Kinder aus erster Ehe

Hobby Radfahren (einmal im Jahr auf die Bieler Höhe)

Weitere Infos unter www.waldpaedagogik.at