Nur fünf Figuren und dennoch viel erreicht

Das Vorarlberger Landestheater startet mit Shakespears “Macbeth” in die neue Saison.
Bregenz Über 20 Rollen hat William Shakespeare für “Macbeth” vorgesehen, Regisseur Johannes Lepper kommt am Vorarlberger Landestheater mit fünf Personen aus. Sie haben viel zu tun, um den Aufstieg und Fall eines Tyrannen nicht eindimensional, sondern in seiner zeitlosen Aktualität zu erzählen und psychologisch zu durchleuchten. Das gelingt. Auch das Premierenpublikum hat das am Samstagabend in Bregenz mit viel Applaus bestätigt.

Die Anzahl der Personen in diesem Stück krass zu reduzieren, ist gewiss nichts Neues, denn das Thema von Shakespeares berühmter Tragödie, dieses fatale Gebräu aus Machtgier und Skrupellosigkeit, ist derart attraktiv, dass sich auch kleinere Ensembles nicht von der Umsetzung abhalten lassen. Interessant an der Version von Johannes Lepper ist, dass er keine Umgewichtung vornimmt, wenn etwa Duncan, Banquo, ein Krieger oder Macduff jeweils weitere Partien und auch jene der drei Hexen übernehmen, die mit der Prophezeiung, dass er König wird, den Ehrgeiz von Macbeth beflügeln. “Man denkt sicher nicht, dass Duncan etwa gleichzeitig eine der Hexen ist, aber wir erzählen die Geschichte gemeinsam”, lautet dazu der Kommentar des deutschen Regisseurs. Man wisse, wo es mit Macbeth hingeht, der sich am Ende eingesteht, dass er für nichts zum mehrfachen Mörder wurde.
Verwirrend ist die Figurenkonstellation in dieser Rollenverteilung tatsächlich nicht. Rebecca Hammermüller, Thieß Brammer und Nico Raschner müssen sich beim Rollenwechsel nicht groß umkostümieren. Mit abstrahierten Schottenröcken, weißen Hemden, Krawatten oder Rüschenkragen deutet Sabine Wegmann auf die Historie und Zeitlosigkeit der Handlung. Eine kleine Geste, die mitunter einen Gedanken beschreibt, und ein Variieren der Stimme reichen den Schauspielern. Die Texte bei aller gebotenen Dynamik dabei nicht emotional zu überladen ist eine starke Leistung aller und sowieso ein Plus der Inszenierung. Kein Gekreische, kein Gesäusel, kein Geschrei, man versteht jedes Wort, begreift den Alptraum und sieht den Abgrund, den sich Macbeth geschaffen hat und auf den er sich hinbewegt.
Raphael Rubino ist einer, der dieses besondere Konglomerat aus Verführbarkeit, fast schüchterner Zurückhaltung und Perfidität eines Täters, der knallhart folgenschwere Entscheidungen fällt, verinnerlicht hat. Lady Macbeth einmal nicht nur als zur Tat treibende Kraft, sondern in ihren vielen Facetten nicht einengbar zu zeigen bewältigt Maria Lisa Huber bestens. In einem Punkt darf sie getrost vorangehen, Johannes Lepper genehmigt sich nämlich, trotz aller Tragik die Komödiantik in Shakespeares Stück zur Wirkung kommen zu lassen. Nicht nur, wenn im Dialekt von der Mordtat berichtet wird und die Figuren belustigt aus ihren Rollen treten, sondern auch in den Bewegungen. Eine Steilvorlage für die Schauspielerin, die sie gut austariert nützt.
Dass es auf der nahezu unablässig bewegten und von Tom Barcal bestens ausgeleuchteten Drehbühne während der fast dreistündigen Spieldauer keinen einzigen Durchhänger gegeben hat, steht am Ende fest, an dem Macbeth zwar tot ist, aber die Abwendung des Unheils ungewiss bleibt. Nachdem sich die Lady und Macbeth eine Situation geschaffen haben, in der niemand ihre Gewalt zur Rechenschaft ziehen darf, kann uns auch ohne konkrete Andeutungen, aber im Wissen um heutige politische Zustände schon einmal das Blut in den Adern gefrieren. Vor dem finalen Dolchstoß zeigt Lepper viel zerstoßenes Eis statt Theaterblut. Brauchbar als Metapher wie als Projektionsfläche für jeden, was das Publikum hörbar goutierte.
“Macbeth” von William Shakespeare. Regie und Bühne: Johannes Lepper; Kostüme: Sabine Wegmann; Licht: Tom Barcal. Mit Raphael Rubino, Maria Lisa Huber, Rebecca Hammermüller, Thieß Brammer, Nico Raschner. Weitere Aufführungen am 23. September, 8. und 10. Oktober, 15. und 16. November am Vorarlberger Landestheater in Bregenz