Unter Wasser mit der Kamera

Susanne Stemmer geht mit Taucherbrille im Swimmingpool auf künstlerische Fotosafari.
Feldkirch, Wien Unter Wasser ist die Welt eine andere. Eine, deren wahre Faszination Susanne Stemmer erst bei einem Tauchgang im Roten Meer 2007 erkannte. Dabei taucht die gebürtige Feldkircherin schon seit ihrem 20. Lebensjahr. Oder anders gesagt: seit sie auf einem Kreuzfahrtschiff als Fotografin anheuerte. „Damals war Tauchen für mich Ausgleich, Hobby, Urlaub, aber auf keinen Fall Arbeit“, erzählt die 49-Jährige. Erst als sie ihre Freundin unter Wasser erlebte, wie sie sich schwerelos bewegte und ihr Haar sich in einen schwebenden Vorhang verwandelte, dachte Stemmer: Wow – das sieht super aus. Wieder zu Hause, rief sie sofort einen befreundeten Redakteur an. „Hast du Lust auf eine Modereportage unter Wasser?“, fragte die Modefotografin und freute sich, dass er sofort Feuer und Flamme war.
Unendliche Leichtigkeit
Das war für die Vorarlbergerin erstmal ein Sprung ins kalte Wasser. „Ich fühlte mich total im Stress, schließlich hatte ich das noch nie gemacht.“ Stemmer benötigte Unterwasserkabel, die es nirgends zu kaufen gab. „Entwickle mir das!“, beauftragte sie einen aus der Crew. „Er hat nur die Hände in die Hüften gestemmt und den Kopf geschüttelt. „Wie stellst du dir das vor?“, hörte Stemmer ihn granteln. Doch die taffe Fotokünstlerin weiß, man darf sich einfach nicht beirren lassen. Und so war es auch, wenn man das Ergebnis betrachtet. Feengleich schweben die Models in glasklarem Wasser, lange wehende Kleider umspielen ihre Körper, das Haar schwebt schwerelos. Der scheinbare Verlust der Schwerkraft und des physischen Gewichtes entspricht in der Immersion durch die Wasseroberfläche der unendlichen Leichtigkeit des Seins.
Schwerstarbeit
Doch der Schein trügt. „Unter Wasser ist das Fotografieren sehr viel aufwendiger und durch den Wasserwiderstand auch sehr viel schwerer.“ Wenn viel Equipment wie Hintergrundkonstruktionen, Blitzanlagen oder Luftbläschenvorrichtungen unter Wasser aufgebaut werden müssen, heißt das Action am Set. „Dann sind schon mal 25 Leute im Einsatz“, erzählt die energische Fotokünstlerin. Auch jede Menge Tricks und Kniffe kommen zum Einsatz, um die entsprechende Wirkung zu erzielen. „Weil Schaukeln unter Wasser nicht funktioniert, müssen wir das Brett in entsprechender Position anbinden“, verrät Stemmer, die dann dem Model beibrachte, wie sie den Kopf bewegen muss, damit ihre Haare so wehen, als würde sie unter Wasser tatsächlich schaukeln. Das war jedoch nicht die einzige optische Täuschung. „Am Beckenrand zog die Stylistin an unsichtbaren Nylonfäden, die am Kleid befestigt waren.“
Piratenabenteuer über Wasser
Es sind Shootings, bei denen alle Beteiligten an ihre Grenzen gehen. Doch was dabei entsteht, ist großartig. Schon als Modefotografin für Luxusmarken wie Jil Sander, Louis Vuitton oder Chanel hat sich die Feldkircherin einen Namen gemacht. Mit der Spezialisierung auf Unterwasserfotografie sowie Ausstellungen in Paris, New York und Los Angeles eilt ihrem Namen ein bemerkenswerter Ruf voraus. Jedenfalls bringt ihr alles rund ums Wasser Glück. Auch ihr Projekt über Wasser kann sich sehen lassen. Ilvie Little ist Stemmers Kinderbuchprojekt. Sie schrieb eine Geschichte, in der Mädchen keine Grenzen gesetzt sind, und ist damit erfolgreich. Aus dem ersten Buch ist eine Serie mit aktuell drei Bänden geworden und drumherum ein ganzes Ilvie-Little-Universum. Auch die farbenfrohe Bebilderung aus Fotocollagen hat sie mit ihrem Team selbst realisiert. Und wenn zwischen Unterwasserfotografie und Ilvie Little noch Zeit ist, führt Stemmer Werbefilmregie für Münze Österreich oder auch dem Börserl von Spar. Kann es vielleicht sein, dass die kreative Feldkircherin zu den Workaholikern zählt? „Nein“, widerspricht sie lachend. „Ich bin einfach nur mit Leib und Seele bei der Sache, wenn ich mit Taucherbrille auf Schatzsuche gehe!“ CRO
„Durch den Wasserwiderstand ist das Fotografieren sehr viel aufwendiger.“



Zur Person
Susanne Stemmer
Geboren 12. Juli 1973 in Feldkirch
wohnhaft Wien und Paris
Beruf Künstlerin, Fotografin, Werbefilmregisseurin, Autorin, Verlegerin
Hobbys Reisen, Tauchen
Lieblingspool befindet sich in Seiersberg, Steiermark (weil das Wasser besonders klar ist)
Ausstellungen und Installationen „Under Water“ in der Galerie „Wide Painting“ in West Hollywood/ Los Angeles; „Under Water-Projektion“ bei der Biennale Venedig; POP UP GALLERY, Vienna; Introduction of BENEATH – SERIES II, PART ONE – WKO Building, Vienna
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