“Sie bleibt die einsame Reiterin”

Claudia Michelsen zu ihrem zehnjährigen Jubiläum als Magdeburger Kommissarin Doreen Brasch.
Berlin Sie zählt schon lange zu den gefragtesten deutschen Charakterdarstellerinnen, jetzt feiert sie als Kommissarin im „Polizeiruf 110“ Jubiläum: Seit zehn Jahren ermittelt Claudia Michelsen als Doreen Brasch in Magdeburg. In der Jubiläumsfolge „Du gehörst mir“ (27. August, 20.15 Uhr, ARD) wird in der Magdeburger Innenstadt auf offener Straße ein Säugling entführt, und Brasch hat lange Zeit den falschen Verdächtigen als Täter im Visier – mit fatalen Folgen.
Frau Michelsen, seit zehn Jahren ermitteln Sie als Doreen Brasch im „Polizeiruf 110“ aus Magdeburg, anfangs gemeinsam mit Sylvester Groth. Hatten Sie geplant, so lange dabei zu sein?
Michelsen Zehn Jahre – es fühlt sich irgendwie viel kürzer an, vielleicht auch, weil es so viele Neuanfänge gab. Partner kamen und gingen, ein bisschen wie im Leben. Dadurch musste sich Brasch auch immer wieder neu finden.
Zurzeit ermittelt Kommissarin Brasch mehr oder minder allein – bleibt es dabei?
Michelsen Sie bleibt die einsame Reiterin, das ist der Plan – verrückt, dass ich das immer wieder gefragt werde. Es ist wohl doch eher unüblich und braucht anscheinend die zweite Hälfte (lacht)? Wir sind ja ein Team. Sie braucht natürlich Figuren wie Kriminalrat Lemp, der sie besser kennt als andere, gespielt von Felix Vörtler, oder ihren Kollegen Marquez, der sie besser kennenlernen sollte, gespielt von Pablo Grant – sie sind essentiell in der Gesamtkonstellation. Niemand kann alles nur mit sich allein ausmachen. Das gemeinsame Spiegeln der Geschichten ist wichtig und das passiert im Team, auch wenn sie alleine durchs Land reitet.
Welchen Einfluss haben Sie auf die Entwicklung der Figur?
Michelsen Wir haben uns entschieden, die Geschichten in den Mittelpunkt zu stellen. Das Privatleben der Ermittler ist bei uns eher sekundär. Daher gibt es auch nicht den großen Entwicklungsbogen für Brasch. Es gibt eher Situationen, in denen wir sie oder auch Lemp, wie bei „Du gehörst mir“, gerne sehen möchten. Und darüber wird natürlich mit Sender und Produktion lange vorher geredet.
Vermissen Sie es gar nicht, die Kommissarin öfter mal von ihrer privaten Seite zu zeigen, beim Kochen, Joggen oder was auch immer?
Michelsen Nein, überhaupt nicht. Brasch kocht nicht, so fängt’s schon mal an (lacht). Aber es ist ja nicht so, dass in unseren Filmen gar kein Privatleben stattfindet. Sie setzt sich ins Verhältnis zu dem, was ihr begegnet, mit ihr suchen wir Wahrheit und Lüge. Auch das ist für mich „privat“, aber eben nicht banal im Sinne von Brasch und ihren Hobbys.
Am Anfang war Brasch burschikoser, inzwischen ist sie grüblerischer und verletzlicher. Warum hat sich das geändert?
Michelsen Als Kommissar Dirk Köhler, gespielt von Matthias Matschke, neu ins Team kam, veränderten sich dadurch auch mehr und mehr Verhaltensweisen im Team. Da Köhler sich im Laufe der Zeit als Choleriker entpuppte, musste Brasch eine andere Position einnehmen. Das Wilde und Aufbrausende musste zur Seite gelegt werden. Wenn eine Position besetzt ist, sucht man sich eine andere. Es war uns währenddessen teilweise gar nicht bewusst, aber so hat sich immer mehr eine empathischere Brasch herausgeschält, obwohl das nicht heißt, dass ihr die Wucht und der kurze, direkte Weg zum Klären der Dinge verloren gegangen sind. Das Burschikose ist immer noch da.
Beneiden Sie manchmal die Gaststars, wie in der Jubiläumsfolge Franziska Hartmann, weil deren Rollen als Verdächtige oder Verbrecher schillernder sind?
Michelsen Nein, überhaupt nicht. Das ist der Plan und ist für uns alle gut. Ich freue mich, wenn meine Kolleginnen und Kollegen „schillern“ können, ich finde das herrlich und genauso soll es sein. Da bin ich gerne in der Gastgeberrolle und überlasse den anderen die Bühne. Als Ermittler oder Ermittlerin ist man mal mehr, mal weniger stark in die jeweilige Geschichte involviert, das ist ja unumgänglich. In der Jubiläumsfolge ist Lemp stärker in die Handlung verwickelt, der Fokus liegt diesmal mehr auf ihm.
Wie und wann soll Doreen Brasch sich mal verabschieden? Wünschen Sie sich ein Happy End für die Figur?
Michelsen Der „Polizeiruf“ ist eines der tollsten Formate, die es im deutschen Fernsehen gibt und ich darf Teil dieser kleinen, aber sehr feinen Polizeiruf-Familie sein. Wir erzählen Geschichten, die erzählt werden wollen und sollen und solange das Publikum uns treu bleibt und wir noch neugierig sind und Spaß miteinander haben, denke ich nicht über Happy Endings nach. Die Leute freuen sich auf diese Filme und das ist ganz wunderbar so – ein Luxus, auch für mich.
Der „Polizeiruf“ ist einst als Antwort des DDR-Fernsehens auf den westdeutschen „Tatort“ gestartet. Finden Sie, dass sich die beiden Reihen heute noch wesentlich voneinander unterscheiden?
Michelsen Ich finde ja, aber ich würde mich scheuen, das zu ausführlich zu beschreiben. Nicht zuletzt, weil die verschiedenen „Tatorte“ auch so unterschiedlich sind – das macht jeden Vergleich schwierig. Unsere Filme sind ganz klar in Sachsen-Anhalt verortet, und wir erzählen die Geschichten der Leute, die dort leben, obwohl das oft auch übertragbar ist.
Seit zehn Jahren drehen Sie regelmäßig in Magdeburg. Was gefällt Ihnen in der alten Kaiserstadt am besten?
Michelsen Das sind natürlich die Menschen – wenn die Leute erst einmal auftauen, ist es ein sehr herzlicher Menschenschlag. Und danach kommt gleich die Elbe. Die acht Wochen, die ich im Jahr da sein darf, genieße ich sehr, und die Leute in der Stadt freuen sich, wenn wir kommen.
Sie wirken demnächst wieder bei der populären ZDF-Tanzschulserie „Ku’damm“ mit. Haben Sie sich von Ihrem Unfall Anfang des Jahres wieder ganz erholt?
Michelsen Ja, ich bin zum Glück komplett wiederhergestellt und kann Anfang kommenden Jahres für die neue Staffel von „Ku’damm“ vor der Kamera stehen. Aber vorher drehen wir noch zwei neue „Polizeirufe“, und im Moment darf ich mit Matthias Glasner und Jürgen Vogel arbeiten, also alles wieder gut und in Bewegung. ski