Die Lebensmittelretterin

Ingrid Benedikt (66) tritt seit Jahrzehnten für Umwelt- und Klimaschutz ein.
Dornbirn „Schatten wird immer wichtiger“, sagt Ingrid Benedikt und blickt von der Terrasse aus in Richtung ihres Gartens. Dort schimmern gerade Sonnenstrahlen durch die grünen Blätterdächer eines Kirsch- und eines Feigenbaumes. Flankiert von Sträuchern verschiedenster Art sorgen orange- und gelbfarbene Blüten von Kapuzinerkresse genauso wie rote Peperonischoten für Farbtupfer. „Längst nicht jeder hat einen Garten. Da zählt mittlerweile jeder Busch und jeder Baum“, ist sich die 66-Jährige in Hinblick auf Folgen des Klimawandels sicher und fügt hinzu: „Leider haben viele das Thema lange Zeit zu wenig ernst genommen.“
Auf dem Tablett vor sich hat Ingrid Benedikt zwischen Kaffeetassen und Wassergläsern eine Lampionblume platziert – mit den orange leuchtenden Kelchblättern ein Symbol für Licht, Wärme und Ausdauer. „Das ist meine Lieblingspflanze“, sagt die Dornbirnerin und fügt hinzu: „Der Herbst ist meine Lieblingsjahreszeit. Nicht nur wegen der angenehmen Temperaturen. Die Ernte steht an, und es ist zu sehen, was aus einem Samen entstehen kann.“ Gerade hat sie beispielsweise drei Safranfäden aus einer Krokusblüte gezogen, welche später als Gewürz dienen.
Grüne Zukunft
Wärme und Ausdauer sowie Samen in Form von Ideen für eine grünere Zukunft sind es auch, die sich im Leben von Benedikt spiegeln. Die Liste an Umweltprojekten ist inzwischen ellenlang. „Das wäre alles nicht möglich ohne den Rückhalt der Familie“, betont sie und blickt mit einem dankbaren Lächeln in Richtung ihres Gerhards, der sich an diesem Vormittag um diverse Reparaturarbeiten am Haus kümmert. Kennengelernt haben sich die beiden durch den Job als Lehrer. Die vier gemeinsamen Kinder sind längst erwachsen und die beiden auch schon Oma und Opa.
In ihrem Berufsleben setzte sich Ingrid Benedikt als Sonderschul- und Sprachheilpädagogin für Kinder mit Beeinträchtigungen ein und entdeckte als Lehrerin gemeinsam mit diesen, wie heilsam Natur sein kann. „Natürlich muss man auch was verdienen. Aber eine Arbeit, für die man auch noch jeden Morgen gerne aufsteht, ist ein Geschenk“, sagt sie rückblickend. Nur die defizitorientierte Gesellschaft bereitet ihr heute noch Sorgenfalten. „Es ist ein Unterschied, ob es heißt, du hast fünf Fehler gemacht oder 25 Wörter richtig geschrieben“, erklärt sie.
Was die vielen Umweltprojekte betrifft, so erinnert sie sich gerne an Präsentationen und Rückmeldungen von Kindern und Jugendlichen im Rahmen von Umweltwochen und Aktionstagen in der inatura. „Da sind unglaubliche Dinge entstanden“, sagt die 66-Jährige und deutet auf ihren Arm, auf dem sich Gänsehaut gebildet hat und damit ihre Gefühlswelt quasi nach außen kehrt. Sie erinnert sich an Aha-Momente bei Schülern, die sich plötzlich über Gefahren von zersplittertem Glas in der Natur oder andere Folgen von unachtsam weggeschmissenem Müll für die Menschen bewusst wurden.
Bionik-Initiative
Es ist das Miteinander, das für Ingrid Benedikt zählt. Zu sehen, dass der Einsatz für eine intakte Welt nicht der Kampf Einzelner ist. „Wenn einer allein etwas tut, handelt es sich um einen Traum. Wenn mehrere mitmachen, ist dies der Anfang von etwas Größerem“, ist sie sich im Hinblick auf Umwelt- und Klimaschutz sicher. Auch was die Politik betrifft, würde sich die ehemalige Dornbirner Grünen-Stadträtin gerade in Krisenzeiten mehr Miteinander wünschen. „Eine einzelne Partei wird die Welt nicht retten. Es sollten daher auch einmal Ideen anderer anerkannt werden.“ Benedikts Umweltengagement begann in den 1980er-Jahren mit der Bionik-Initiative rund um Mülltrennung und führte über Ideen und Konzepte für Umwelttage und -wochen bis hin zur Initiative „Offener Kühlschrank“ und zum bewussten Umgang mit Lebensmitteln. Nach und nach hat sie in den vergangenen Jahren ihr Wirken auf den verschiedenen Ebenen zurückgefahren. Einerseits aus gesundheitlichen und familiären Gründen. Andererseits auch, um Platz für die junge Generation zu schaffen, wie sie erläutert.
Derzeit ist die Aktivistin mit der Organisation für die Feier des fünfjährigen Jubiläums der Initiative „Offener Kühlschrank“ beschäftigt. Ein Projekt, bei dem es vor allem um Bewusstseinsbildung für den Wert von Lebensmitteln geht.
Richtung Selbstversorgung
Hinsichtlich Lebensmittelverschwendung sieht Ingrid Benedikt noch viel Verbesserungspotenzial. „Es gibt ja immer noch Bereiche wie Spitäler oder Gemeinschaftsverpflegung, wo viel weggeschmissen wird“, erläutert sie ihre Motivation.
Und auch im Garten gibt es für Benedikt nach wie vor viel zu tun: „Wir testen gerade aus, wie weit es möglich ist, sich selbst zu versorgen“, erklärt sie, während sie einige der roten Peperonischoten erntet. Ernteüberschüsse gibt sie gerne an Menschen weiter, die selbst keinen Garten haben oder für die jeder Cent zählt. VN-MEF
„Das wäre alles nicht möglich ohne den Rückhalt der Familie.“


Zur Person
Ingrid Benedikt
Alter 66
Wohnort Dornbirn
Familie verheiratet mit Gerhard, vier erwachsene Kinder, zwei Enkel
Ausbildung Allgemeine Sonderpädagogik und Sprachheilpädagogik, Zusatzausbildungen in Umweltpädagogik, Klimaschutz, Nachhaltigkeit
Hobbys Gartenarbeit, Kochen, Stepptanzen
Lebensmotto „Man muss nicht alles allein tun, viele Menschen können etwas bewegen.“