Work-Life-Balance: Morgens um zehn in Vorarlberg. Warum habt ihr alle frei?

VN / HEUTE • 12:10 Uhr
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Tina Jeremic ist selbstständig als Yogalehrerin und bereitet sich gerne in Cafés auf ihren Tag vor. VOL.AT/SKÖ

Die Cafés sind voll, die Yogamatten ausgerollt – mitten unter der Woche. Wer hat eigentlich Zeit für so was?

Es ist kurz nach zehn Uhr in Bregenz. Ich, Stefanie Köchle von VOL.AT, schlendere durch die Fußgängerzone, um zu erfragen, was die Leute vormittags so machen. Ich sehe Mütter mit Kinderwagen, Rentner mit Zeitungen unterm Arm und die Christbaumverkäufer, die auf die Kundschaft warten. Alles wirkt ruhig und gelassen.

Ich sehe eine junge Frau, die mit ihrem roten Fahrrad in der Hand durch die Fußgängerzone geht – allein unterwegs, zielstrebig, aber nicht gehetzt. Ich spreche sie an, neugierig, was sie um diese Uhrzeit hier macht.

Pia Schwarz, 23 – Köchin im Schichtdienst

“Der Vormittag gehört mir”, sagt sie. Die 23-Jährige, die als Köchin im Küchentanz in Bregenz ab 14 Uhr arbeitet, genießt ihre Vormittage. Zeit für Yoga, Einkäufe, kreative Projekte – oder auch, um einfach mal durch die Stadt zu spazieren. “Aber heute hole ich mir einen Christbaum”, sagt die 23-Jährige.

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“Aber heute hole ich mir einen Christbaum”, sagt die 23-Jährige. VOL.AT/SKÖ

Doch der Schichtdienst hat auch Schattenseiten: “Zweimal die Woche wäre eigentlich Volleyballtraining, aber das fällt für mich flach. Ich bin am Abend einfach immer in der Arbeit.”

Ihre Freizeit ist ihr heilig, aber oft schwer planbar. Trotzdem schätzt sie die Balance: “Wenn ich arbeite, gebe ich Vollgas. Aber dann habe ich auch mal zwei Monate frei – das ist mein Ausgleich.”

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Pia Schwarz (23) aus Bregenz genießt ihre freien Vormittage. VOL.AT/SKÖ

Ich fahre nun weiter Richtung Dornbirn, rolle durch Lauterach. Beim Bäcker in der Nähe bleibe ich stehen – ein Kaffee soll es sein. Beim Umschauen sehe ich eine junge Frau mit Laptop, Yogamatte neben dem Tisch, ganz in ihrer Welt. Ich spreche sie an.

Tina Jeremic, 26 – selbstständige Yogalehrerin aus Kennelbach

Tina beginnt viele Tage mit einem Namaste – entweder selbst auf der Matte oder als Lehrerin in ihren Kursen. Ihre Woche ist voll: vormittags Senioren-Yoga, abends Rückenfit-Stunden. Dazwischen: Contentplanung, Haushalt, Spaziergänge und einen Chai-Latte in der Mangold Bäckerei.

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Tina ist Yogalehrerin und geht gerne in Cafés, um ihre Arbeiten zu planen. VOL.AT/SKÖ

“Ich liebe diese Freiheit. Ich kann meinen Tag so einteilen, dass auch Zeit für mich bleibt”, sagt sie. “Zurück in einen 9-to-5-Job? Niemals. Die Freiheit, mir meine Tage selbst einzuteilen, ist unbezahlbar.”

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“Zurück in einen 9-to-5-Job? Niemals”, so die 26-Jährige. VOL.AT/SKÖ

Ich erreiche Dornbirn, parke in der Nähe der Innenstadt und laufe los. Es ist mittlerweile kurz nach eins. Vielleicht ist jetzt Mittagspause? Doch die junge Frau, die mir begegnet, wirkt weder gehetzt noch auf dem Weg zurück ins Büro. Ich spreche sie an.

Maria Mayer, 21 – Intermedia-Studentin in Dornbirn

Maria hat heute Vormittag Kekse gebacken und an ihrer Bachelorarbeit gearbeitet. Andere würden das als “frei” bezeichnen, sie selbst eher als flexiblen Alltag. “Mein Stundenplan ist jedes Semester anders. Manchmal habe ich am Vormittag Uni, manchmal nicht”, sagt sie.

Die Freiheit ihres Studiums bedeutet auch Selbstdisziplin. Man muss sich selbst gut organisieren. Und für die Zukunft? Maria möchte Berufserfahrung sammeln – aber am liebsten selbstständig arbeiten. Ihr Ziel: eine Balance, in der sie sowohl gestalten, als auch leben kann.

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Maria Mayer (21) aus Dornbirn ist Studentin im Bereich Intermedia. VOL.AT/SKÖ

Ich gehe weiter, vorbei an Geschäften und Büros. Es ist mittlerweile 15 Uhr. Ich setze mich in ein Café. In der Ecke sitzt ein Mann, vertieft in den Bildschirm und mit einem Getränk neben dem Laptop.

Philippe Monz, 28 – Digital Nomad

Als Softwareentwickler bei der Vorarlberger Firma Fairkom kann er von überall aus arbeiten. Und das tut er auch. Mal in Berlin, mal auf Teneriffa.

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Philippe Monz (28) aus Dornbirn bezeichnet sich selber als Digital Nomad und hat die Möglichkeit, von überall aus zu arbeiten. VOL.AT/SKÖ

“Ich stelle mir keinen Wecker – aber ich arbeite oft länger, als es ein 9-to-5-Job verlangen würde”, sagt er. Vormittags ins Fitnessstudio, danach in den Coworking-Space oder ins Café: “Die Freiheit ist super – aber sie verlangt auch viel Eigenverantwortung.”

“Ich arbeite wahrscheinlich härter, weil ich weiß, dass ich so viel Freiheit genießen darf.” Für ihn ist das die Zukunft der Arbeit: “Hybride Modelle, Gleitzeit, Vertrauen – das bringt allen was.”