Mehr als nur ein Pflaster

Sandra Dietrich und Gilbert Hämmerle helfen bei Wunden, die nicht heilen wollen.
Bregenz, Feldkirch Die Zeit heilt Wunden, besagt ein Sprichwort. Ob es auf seelische Kerben gemünzt werden kann, die das Leben zuweilen schlägt, ist die Frage. Mit Sicherheit trifft es auf körperliche Wunden zu. Speziell wenn bestimmte Erkrankungen im Spiel sind, wie Durchblutungsstörungen oder Diabetes, kann die Wundbehandlung oft langwierig sein. Dazu gesellt sich ein anderes Problem: „Die Betroffenen kommen häufig erst sehr spät zu uns“, berichten Sandra Dietrich (49) und Gilbert Hämmerle (49) aus der Praxis.
Bewusstsein schaffen
Beide arbeiten als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen schon lange in der Spitalspflege, haben sich dann aber auf die Wundpflege spezialisiert. Hämmerle, der im LKH Bregenz beschäftigt ist, gibt Interesse am Thema und den Wunsch nach Bewusstseinsbildung für eben dieses als Beweggrund an. Dietrich, die sich seit 2016 im LKH Feldkirch ausschließlich um die Wundversorgung kümmert, gefällt die Herausforderung auf fachlicher und zwischenmenschlicher Ebene. Wichtig ist den beiden außerdem die Vernetzung der zahlreichen Wundexperten, die es mittlerweile innerhalb und außerhalb der Spitäler gibt. Gilbert Hämmerle spricht von einer bestens funktionierenden Zusammenarbeit. Sie ist im Sinne der Patienten nötig, schließlich soll das, was im Krankenhaus begonnen wurde, draußen eine gelingende Fortsetzung finden. Begonnen hat alles 2011 mit der Gründung des Wundmanagementvereins, dessen Obmann Hämmerle ist. Sandra Dietrich zeichnet für die Fortbildungen verantwortlich. So findet etwa heute, Freitag, in Rankweil der Netzwerktag „Chronische Wunde“ statt. „Man muss über sehr viel Fachwissen verfügen und dieses immer wieder durch Neues ergänzen. Es ändern sich Produktauswahl, Anwendungen und Gerätschaften“, unterstreicht Dietrich die Bedeutung der Weiterbildung auf diesem Sektor.
Den ganzen Menschen sehen
Unterstützende Hilfsmittel sind das eine, die Mitarbeit der Patienten das andere. „Wir brauchen sie mit im Boot. Der Therapeut allein schafft es nicht“, sagt Gilbert Hämmerle. Seine Kollegin weiß: „Oft ist nicht der Betroffene selbst der Knackpunkt, sondern das Denken. Es ist ja nur eine Wunde, also Pflaster drauf und gut.“ Wunden würden vielfach bagatellisiert, selbst vom sozialen Umfeld des Patienten. Sandra Dietrich versteht zum Teil auch, warum spät ein Arzt konsultiert wird. „Dieses Nichtheilen findet man erst heraus, wenn sich eine Wunde längere Zeit nicht schließt.“ Doch es geht nicht nur um die Wundheilung an sich. „Wir müssen den ganzen Menschen sehen, ihn durch die viel Geduld erfordernde Behandlung begleiten“, betont Dietrich. Schwärende Wunden, die nässen und schlecht riechen, würden Betroffene nämlich häufig in die Isolation treiben.
Mehr Zeit und Kompetenz
Beide Fachleute würden sich insgesamt mehr Zeit für die Patienten wünschen. Hier sprechen die Wundexperten vor allem für die Kolleginnen und Kollegen draußen. „Es wäre auch fein, mehr Kompetenzen bei der Verordnung von Hilfsmitteln zu haben“, ergänzt Sandra Dietrich. Das betrifft besonders Spezialprodukte. Die bürokratischen Erfordernisse in einer Hand: „Das würde vieles erleichtern.“ Beruf und Privates versuchen die Wundmanager nach Möglichkeit zu trennen. Es gelingt nicht immer. „Man nimmt sehr oft etwas mit nach Hause, denkt dort noch darüber nach“, räumt Gilbert Hämmerle ein. Sandra Dietrich beschäftigen im Nachgang die Schicksale, die hinter einer Wunde stehen: „Sie motivieren mich stets aufs Neue, Dinge besser zu machen und weiterzuentwickeln.“ Entspannen kann sie beim Jäten in ihrem Blumengarten. VN-MM
„Wunden werden vielfach noch bagatellisiert, auch vom sozialen Umfeld Betroffener.“



Zu den Personen
Sandra Dietrich
Alter 49
Werdegang Ausbildung zur Kindergartenpädagogin, nach zwei Jahren in die Gesundheits- und Krankenpflegeschule gewechselt, seit 25 Jahren in der Pflege tätig
Familie verheiratet
Hobbys der Blumengarten, Musik, Schreiben, Lesen
WohnorT Nenzing
Gilbert Hämmerle
Alter 49
Ausbildung Gymnasium, Bundesheer, Gesundheits- und Krankenpflegeschule
Familie zwei Kinder
Hobbys Sport
Wohnort Bregenz