Sergiy, der Stehaufmann

Sergiy Tarasyuk (62) und sein Kampf gegen die Widrigkeiten des Lebens. Der sportliche Ukrainer überlebte zwei Schlaganfälle und einen Herzinfarkt.
Bludenz Sergiy Tarasyuks Leben könnte einem Groschenroman entnommen sein, so bewegt war es. Sein Sohn Yaroslav erzählt die Geschichte seines Vaters, weil dieser nach zwei Schlaganfällen nicht mehr deutlich sprechen kann.

Der studierte Sportlehrer und begeisterte Fußballspieler (bei einem Zweitligisten) aus der Ukraine arbeitete 15 Jahre lang an einer Schule. Dann begann er ein kleines Tankstellenimperium aufzubauen. Ein Schlaganfall im Jahr 1996 bremste den damals 35-Jährigen nur kurz ein. „Papa glaubt, dass er den Schlaganfall aufgrund der Atomkatastrophe in Tschernobyl bekommen hat, dass die Strahlung ihn ausgelöst hat. Damals hatten auch viele seiner Kollegen und Freunde mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.“ Sergiy wurde in der Ukraine zu einem erfolgreichen Unternehmer.

Aber kriminelle Banden und korrupte Politiker machten ihm das Leben schwer. Das ging so weit, dass Sergiys Leben bedroht war. „Die Banditen griffen meinen Vater auf und fuhren mit ihm aus der Stadt. Sie wollten, dass er ihnen die Tankstellen überschreibt und drohten ihm, ihn auf die Gleise zu werfen, wenn ein Zug kommt.“ Nach diesem Vorfall flüchtete der geschiedene Mann und Vater zweier Kinder mit den Originaldokumenten seiner Wohnobjekte und Tankstellenflächen ins Ausland. „Diese Dokumente waren seine einzige Hoffnung, sein legitimes Eigentum wiederzuerlangen.“
Ein Kollege aus Deutschland riet ihm, nach Vorarlberg zu gehen. Dort sei es schön. Der Ukrainer kam im Jahr 2004 mittellos ins Ländle und suchte hier um Asyl an. Als Asylwerber arbeitete Sergiy geringfügig als Abwäscher, Kellner und Hausmeister. „Papa schickte uns Schachteln voller Kleidung und Süßigkeiten in die Ukraine. Meine Schwester und ich telefonierten auch regelmäßig mit ihm”, zeigt Yaroslav auf, dass sein Vater nicht ganz aus der Welt war. Über den Fußball baute sich Sergiy ein soziales Netz in Vorarlberg auf. “Er hat hier von Anfang an hobbymäßig Fußball gespielt.“ Nach acht Jahren wurde dem sportlichen Ukrainer Asyl gewährt. Einige Jahre arbeitete Sergiy bei einer Sanitärinstallationsfirma, später war er in verschiedenen Gasthäusern als Küchenhilfe tätig.“

Im Jahr 2018 ereilte ihn bei der Arbeit ein Herzinfarkt. „Papa schmerzte plötzlich die linke Körperhälfte. Trotzdem fuhr er nach der Arbeit noch selbst mit dem Auto heim. Ich habe ihn dann gleich ins Spital gefahren“, erinnert sich sein 26-jähriger Sohn, der seit seinem 14. Lebensjahr bei seinem Vater in Vorarlberg lebt und derzeit eine Lehre zum IT-Techniker absolviert. Nur drei Jahre später – im Jahr 2021 – traf Sergiy abermals ein Schicksalsschlag. „Papa erlitt im Urlaub einen zweiten Schlaganfall. Er hielt sich gerade in Odessa auf, als es passierte.“
Yaroslav ist stolz auf seinen Vater. Er ist ihm ein Vorbild. Denn: „Papa gibt nicht auf und kämpft tapfer gegen die Schwierigkeiten des Lebens.“ Den Kampf gegen gesundheitliche Probleme hat Sergiy vorerst gewonnen. Nicht so jenen für späte Gerechtigkeit. Ob dieser Kampf erfolgreich sein wird, ist noch unklar. „Mein Vater hat sich entschieden vor Gericht zu gehen und die ukrainischen Gerichte zu zwingen, ihm sein verlorenes Eigentum zurückzugeben.“ Sergiy Tarasyuk, der Stehaufmann, ist zuversichtlich. Denn er glaubt unerschütterlich an Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit.