Nach 20 Jahren kam der Krebs zurück

Ludmilla Mall steht am Ende ihres Lebenswegs. Das Hospiz am See ist seit einigen Wochen das Zuhause der krebskranken Frau.
Bregenz Mit Genuss isst Ludmilla Mall (86) ein Eis mit Sahne. Die gebürtige Tirolerin ist begeistert von der Küche des Hauses. „Nicht nur das Essen ist spitze, sondern das ganze Haus. Hier herrscht Harmonie und Ruhe. Alles ist sauber und gepflegt. Die Mitarbeiter sind freundlich und hilfsbereit. Sie lesen einem jeden Wunsch von den Lippen ab,“ lobt Ludmilla das Hospiz in höchsten Tönen. Seit etwas mehr als einem Monat lebt die 86-Jährige, die von allen Milli genannt wird, im Hospiz am See in Bregenz.
Millis Körper ist voller Metastasen. Der Brustkrebs streute. Als sie in ihren 60ern war, erkrankte sie zum ersten Mal an dieser Krebsart. 20 Jahre später kam der Krebs zurück. Milli entschied sich gegen eine Chemotherapie. Diese Prozedur wollte sie kein zweites Mal mehr durchmachen.

Obwohl der Tod in ihre Nähe gerückt ist, denkt sie nicht oft ans Sterben. Das liegt daran, dass es ihr momentan gut geht. Denn dank effektiver Behandlung hat sie keine Schmerzen. Das Leben ist noch lebenswert für sie, auch weil sie so umsorgt wird, nicht nur vom Personal, sondern auch von ihrer Tochter Conny (61). Die begleitet sie durch den Tag. „Das mache ich gerne. Mama ist mir das wert“, beteuert Conny. Mutter und Tochter nehmen gemeinsam die Mahlzeiten ein, spielen Mensch-Ärgere-Dich-Nicht und spazieren mit dem Rollator durchs Haus. Wenn die Mutter ruht, strickt Conny neben ihr.
Milli, die in Grins bei Landeck groß wurde, ist immer eine liebevolle und fürsorgliche Mutter gewesen. Drei Kinder zog sie groß mit ihrem Mann Walter. Zusammen bauten sie ein großes Haus in St. Anton am Arlberg. 18 Gäste konnte Milli in ihrer Frühstückspension „Walter Mall“ beherbergen. „Ich hatte keine Hilfe, habe alles selbst gemacht“, zeigt sie auf, dass sie viel Arbeit hatte. Aber Milli mochte ihre täglichen Pflichten. „Das haben auch die Gäste gemerkt. Sie meinten, dass man unser Haus auf ,Ludmilla Mall‘ umbenennen sollte“, erzählt sie lächelnd und mit leuchtenden Augen. Milli ist jetzt voll in die Vergangenheit abgetaucht. Tochter Conny bleibt beim Thema. „Mama hat die Pension bis zu ihrem 82. Lebensjahr geführt. Ihr geht die Arbeit ab. Deshalb ist sie manchmal unruhig.“

Die alte Mutter sieht ihre Tochter voller Liebe an. Sie findet es „sensationell“, dass Conny jeden Tag zu ihr ins Hospiz kommt. Die beiden plauschen viel miteinander, aber Millis Krankheit ist nur selten ein Thema zwischen den beiden. Auch den Tod klammern sie weitgehend aus. Doch die betagte Frau weiß, dass sie zum Sterben ins Hospiz gekommen ist. Sie würde sich wünschen, dass der Tod sanft zu ihr kommt. „Am liebsten würde ich abends einschlafen und am Morgen nicht mehr aufwachen.“
Die 86-Jährige glaubt an ein Leben nach dem Tod. Sie hofft, dass sie im Jenseits wieder ihrem Mann Walter begegnet. Dieser starb vor 14 Jahren an einem Herzinfarkt. „Ich fand Walter tot im Bett.“ Damals stand sie tagelang unter Schock. „Nach seinem Tod war alles wie in einer Art Trance.” Drei Jahre trauerte sie schwer um ihn, doch danach fand sie langsam wieder Frieden.