Vom Armenkind zum geachteten Koch

Drei Jahre verbrachte der Sohn einer Alleinerzieherin in den 70er Jahren in der Erziehungsanstalt Jagdberg. “Es war die schlimmste Zeit meines Lebens.”
Schwarzach Andreas (Name von der Redaktion geändert) startete mit schlechten Voraussetzungen ins Leben. Der heute 62-Jährige wuchs bei seiner alleinerziehenden Mutter auf, die sich und ihre drei Kinder mehr schlecht als recht durchbrachte. „Ich ging oft mit Hunger ins Bett.“ Andreas erinnert sich, dass er als kleiner Bub in Bäckereien mit Erfolg um altes Brot bat. Die Kinder waren oft sich selbst überlassen. „Mama arbeitete als Zimmermädchen und Putzfrau.“
In der Schule wurden Andreas und sein vier Jahre älterer Bruder wegen ihrer ärmlichen Herkunft gehänselt. Deswegen waren die beiden oft in Auseinandersetzungen und Raufereien verwickelt. Einmal kam Andreas mit einem Benzinkanister in die Schule. Er wollte sie anzünden und sich dafür rächen, dass man seine Mutter beleidigt hatte. „Die Mama war für mich alles – der einzige Halt, den ich hatte.“

Mit 12 Jahren lernte Andreas seinen Vater kennen. „Er war auf Besuch bei meiner Mutter.“ Dieser leitete es in die Wege, dass Andreas im Jahr 1974 ins Erziehungsheim Jagdberg kam. Drei Jahre verbrachte der Bub dort. „Es war die schlimmste Zeit meines Lebens, ein Horror. Ich bin als normales Kind hineingekommen und als halber Verbrecher herausgekommen.“ Oft hagelte es wegen Kleinigkeiten Schläge. „Wenn man zu schnell zum Essen griff, setzte es eine Ohrfeige.“ Empathie vonseiten der Erzieher gab es keine, auch bei Zahnschmerzen nicht. „Einmal hatte ich wegen eines Eiterzahnes unglaubliche Schmerzen. Weil ich heftig schluchzte, sperrte man mich in ein Zimmer ein. Man ging nicht zum Zahnarzt mit mir.“
Seine Mutter war schwerkrank
Andreas vermisste seine Mutter. Diese litt an Multipler Sklerose und Brustkrebs. Der Bub wollte seine schwerkranke Mutter im Landeskrankenhaus Rankweil besuchen, „aber sie ließen mich nicht zu ihr gehen“. Der Internatszögling lehnte sich gegen diese Unmenschlichkeit auf. „Ich bin aus dem Heim ausgerissen und schnurstracks zu meiner Mutter gegangen.“ Die Strafe folgte auf dem Fuß. „Man rasierte mir die Haare ab. 30 Tage lang musste ich einen blauen Sträflingsanzug tragen. Zudem wurde meine Freizeit gestrichen, man verdonnerte mich zu 30 Stunden Arbeit.“
“Ich hatte zwei Lebensziele. Ich wollte nie mehr arm sein und eine intakte Familie. Beide Ziele habe ich erreicht.”
Andreas
Mit 15 kam Andreas, der unter Jähzorn litt und schnell seine Fäuste sprechen ließ, raus. „Ich bin sofort auf die schiefe Bahn geraten.“ Der Kochlehrling beging Delikte wie Diebstahl, Körperverletzung und Sachbeschädigung. Mit 23 musste er für ein Jahr ins Gefängnis. „Der Staatsanwalt sagte zu mir: ,Sie sind und bleiben ein Verbrecher.‘“ Aber der sollte sich irren. Denn nach der Haft entschied sich Andreas für einen anderen, besseren Weg. „Ich hatte zwei Lebensziele. Ich wollte nie mehr arm sein und eine intakte Familie.“
Andreas erreichte beide Ziele. Er machte sich in der Kochszene einen Namen, arbeitete unter anderem in Spanien und Frankreich und in bekannten Wintersportorten in Österreich. „Ich war ein fleißiger Arbeiter und habe gut verdient.“ 1986 lernte er am Arbeitsplatz seine jetzige Frau kennen. Das Paar hat drei Kinder. Andreas, der mittlerweile Pensionist ist, ist stolz auf das Erreichte. „Ich bin gesund, habe eine Familie, die zusammenhält, ein schuldenfreies Haus und eine ordentliche Rente. Was will ich mehr.“