Vom Senn zum geouteten Lebensbegleiter

Bernhard Dünser (46) ist ein echter Tausendsassa. Er war unter anderem Tischler, Senn und Lehrer. Heute ist er mit Begeisterung Lebensberater in Hittisau.
Hittisau Heute fühlt sich Bernhard Dünser beruflich angekommen. Der 46-Jährige ist psychosozialer Berater in Hittisau mit Schwerpunkt Männerberatung. Seine Klienten wissen seine reiche Lebenserfahrung und seine vielfältigen Ausbildungen als wertvolle Ressourcen zu schätzen.

Dünser, der in einer religiösen Familie aufwuchs und als Bub Pfarrer oder Lehrer werden wollte, lernte und übte gleich mehrere Berufe aus. Nach dem Abbruch des Gymnasiums trat der Jugendliche der römisch-katholischen geistlichen Gemeinschaft „Das Werk“ bei. „Dort wurde mir versprochen, dass ich auch ohne Schulabschluss Pfarrer werden kann.“ Fünf Jahre gehörte er der Gemeinschaft an. In dieser Zeit war er oft im Ausland, unter anderem in Holland und Rom, wo er in der Seelsorge tätig war. „Ich habe Menschen aus schwierigen familiären Verhältnissen begleitet.“ Wieder in Vorarlberg absolvierte er in Reuthe eine Lehre zum Tischler. „Das Werk hatte die Lehrstelle für mich ausgesucht.“ Der Lehrling wandte sich dann aber von der geistlichen Gemeinschaft ab.

Nach Abschluss der Lehre ging der junge Mann eigene Wege. „Ich habe einige Saisonen lang im Gastgewerbe gearbeitet, unter anderem als Kellner und Marktfahrer.“ Auf der Alpe Schlappold in Oberstdorf lernte er, wie man Käse herstellt. „Ich habe eine Käsereilehre gemacht, samt Meisterprüfung.“ Im Jahr 2007 heuerte ihn die Landwirtschaftsschule in Hohenems mit Erfolg an. „Ich unterrichtete die Fächer Käsereikunde, Milchwirtschaft, Holzbearbeitung und Religion.“ Neben seiner Tätigkeit als Lehrer holte er die Matura nach und bildete sich an den Hochschulen in Innsbruck zum Religions- und Berufsschullehrer aus.

Danach wechselte Dünser an die Sozialpädagogische Schule am Jagdberg. „Ich habe 40 Kinder unterrichtet. Wenn manche nicht in die Schule kamen, habe ich sie kontaktiert und bin zu ihnen gefahren, um sie wieder ins Boot zu holen.“ Die Arbeit mit Kindern mit herausforderndem Verhalten sei nicht einfach gewesen und sehr emotional. “Nicht wenige kamen aus zerrütteten Familien.” Nebenher absolvierte Dünser noch ein Masterstudium in Schul- und Organisationsentwicklung. „Da lernte ich unter anderem Coaching, Mentoring und Personalführung.“

Die Firma Blum warb den gut ausgebildeten Lehrer ab. „Bei Blum war ich die Ansprechperson für Mitarbeiter, die berufliche und persönliche Probleme hatten.“ Diese seelsorgerische Tätigkeit entsprach ganz seinem Wesen. Aus Interesse bildete sich Dünser dann auch noch zum Lebens- und Sozialberater weiter. Im Jahr 2022 erfüllte er sich seinen Traum und machte sich als Coach und Supervisor mit dem „Café am Waldrand“ in Hittisau selbstständig. „Die Arbeit mit Menschen ist mein Ding. Da gehöre ich hin.“ Wenn er Menschen helfen und ein Problem lösen kann, freut er sich riesig. „Dieses Glücksgefühl teile ich mit dem Klienten.“

Der Wahlhittisauer weiß aber auch aus eigener Erfahrung, wie es ist, wenn man seelisch ganz unten ist. „Ich habe viele Jahre in einem inneren Konflikt gelebt, weil ich meine sexuelle Orientierung nicht lebte.“ Bereits mit 10 wusste der gebürtige Dornbirner, dass er schwul ist. „Aber ich habe die sexuelle Orientierung in den Keller gestellt.“ Als ein guter Freund wegen seiner Homosexualität seinen Job verlor, war für ihn klar: „Schwulsein geht auf gar keinen Fall.“ Dünser heiratete mit 28 eine Frau und wurde Vater von drei Kindern. Im Alter von 42 Jahren outete er sich seiner Frau gegenüber, „weil der innere Druck so groß wurde, dass er mich fast umbrachte“. Heute geht es Dünser gut. „Es ist mir egal, was andere sagen. Wichtig ist, dass ich keinen Teil von mir mehr unterdrücke. Denn nur die Anteile, die man nicht lebt, bereiten Probleme.“
Zur Person
geboren 11. Juni 1978 in Dornbirn
Wohnort Hittisau
Familie drei Kinder, in Partnerschaft
Hobbys Garten, Lesen, lange Wanderungen
Kontakt www.cafeamwaldrand.at; duenser.bernhard@gmx.at