“Ich kam mir vor, wie ein Zirkusgaul”

Menschen / 24.06.2025 • 14:00 Uhr
Harald Kuster
Harald Kuster ging im Jahr 2002 wegen des Berufs nach China. 2018 kehrte er nach Vorarlberg zurück. Beate Rhomberg

Harald Kuster aus Hohenems lebte 16 Jahre in China. Die Millionenmetropole Suzhou wurde zu seiner zweiten Heimat.

Hohenems Harald Kuster (62) absolvierte als junger Mann in einer kunststoffverarbeitenden Firma in Vorarlberg eine Lehre zum Kunststofftechniker. Schon mit 21 Jahren übernahm der Fußacher dort eine Führungsfunktion. „Ich leitete 17 Jahre lang die Hauptabteilung mit 20 Mitarbeitern.“ Danach wurde er technischer Geschäftsführer eines Betriebes, der zum Teil ihm gehörte und Kunststoffartikel produzierte. Aber dann kam ein verlockendes Angebot von seiner früheren Firma. „Ich wurde gefragt, ob ich in China einen Standort aufbauen möchte.“ Harald wollte. „2002 bin ich nach Suzhou gezogen, eine acht Millionen Metropole in der Nähe von Shanghai.“

Damals waren Ausländer noch rar gesät in Suzhou. „Wir waren 20 Europäer und 30 Amerikaner. Das war’s auch schon.“ Aufgrund seines Aussehens erkannte man ihn sofort als Ausländer. „Wenn ich durch die Stadt ging, blieben die Leute stehen und schauten mich groß an. Die Kinder zeigten auf mich. Ich kam mir vor, wie ein Zirkusgaul.“

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Harald Kuster (ganz rechts) mit seinen Mitarbeitern. Er baute in China ein großes Unternehmen auf.

Als Ausländer wurde er hofiert. „In Lokalen wurde ich schneller bedient.“ Junge Frauen liefen ihm nach. „Die dachten, dass ich ein Kapitalist und reich bin.“ Der Alltag war für ihn schwierig, weil er die chinesische Sprache nicht beherrschte und damals nur wenige Chinesen Englisch sprachen. In der Firma hatte er einen Übersetzer, aber draußen war er auf sich allein gestellt. „Anfangs konnte ich nicht einmal einem Taxifahrer sagen, wohin ich wollte. Auch Essen bestellen war schwierig.“ Das änderte sich erst, als er an der Universität einen Chinesisch-Kurs belegte. „Dort lernte ich die Grundzüge der chinesischen Sprache.“

Harald arbeitete viel in China. Zehn-Stunden-Arbeitstage waren die Regel. Auch an den Wochenenden ging er in die Firma. Erst als seine Frau Gertrud im Jahr 2005 zu ihm nach Suzhou übersiedelte, reduzierte er seine Arbeitszeit.

Harald Kuster
Mit seinem Hund Flocki geht Harald Kuster jeden Tag mehrere Stunden spazieren.

Unter der Ägide von Harald Kuster wurde aus einem Ein-Mann-Betrieb ein Unternehmen mit 150 Mitarbeitern. „Wir wuchsen von einem Jahr zum andern.“ Nicht nur der Betrieb, der Rollen für Rolltreppen produzierte, boomte, sondern die ganze Stadt erlebte einen Aufschwung. „Als ich im Jahr 2002 in Suzhou ankam, gab es außer Taxis kaum Autos. Fahrradfahrer prägten das Stadtbild. Heute gibt es dort Stadtautobahnen mit mindestens vier Spuren.“ Eine U-Bahn habe es damals auch nicht gegeben. „Heute sind sieben Linien in Betrieb.“ Im Lauf der Jahre sah der Unternehmer, wie ganze Stadtviertel aus dem Boden gestampft wurden, vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten. „Im Gegensatz zu früher gehören Wolkenkratzer heute zum Stadtbild.“

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Das Ehepaar Gertrud und Harald Kuster in Suzhou.

Erst nach 16 Jahren – im Jahr 2018 – brach der Vorarlberger die Zelte in China ab. „Geplant war eigentlich, dass ich retour komme, sobald die Firma ins Laufen gekommen ist“, erzählt er lächelnd. Harald hat seinen langjährigen China-Aufenthalt nie bereut. Denn: „Es war sehr spannend. Ich durfte den Aufschwung in China miterleben. Er hatte eine unglaubliche Dynamik.“ Zuletzt kam er aber wieder gerne heim. Denn die Lebensqualität, die er hier hat, hatte er in China nicht. „Wir litten unter der Luftverschmutzung. Smog gehörte zum Alltag.“