Das wunderschöne Universum der Carmen Pfanner

„Regnis Singer“: Die Bregenzer Sommerausstellung zeigt textile Bildwelten.
Bregenz Von außen wirkt das Palais Thurn und Taxis ruhig und klassisch, doch im Inneren entfaltet sich derzeit ein vielschichtiges, organisch gewachsenes Kunstuniversum. Die Sommerausstellung der Stadt Bregenz widmet sich den Arbeiten der Dornbirner Künstlerin Carmen Pfanner. Ihre Installationen, Objekte und Materialbilder verwandeln das historische Gebäude in einen atmenden Denkraum. Pfanner hat für diese Ausstellung neue, großformatige Arbeiten geschaffen, die in einen konzentrierten Dialog mit früheren Werkgruppen treten. Es ist die erste Ausstellung, die ihr Schaffen in solcher Intensität erfahrbar macht.

Kuratorin Judith Reichart beschreibt die Ausstellung als „ein umfassendes, vielschichtiges und wunderschönes Universum, das Carmen Pfanner mit ihrer Arbeit geschaffen hat – nicht aus dem Moment heraus, sondern aus dem Anspruch, neue Werke zu schaffen, zu reflektieren, zu verwerfen, zu verdichten.“ Im Zentrum all dessen stehen ihre berufliche Leidenschaft, ihre künstlerische Praxis und zugleich ihr persönlicher Hintergrund: das Nähen. Der Ausstellungstitel „Regnis Singer” ist dabei ein doppeltes Wortspiel. Rückwärts gelesen ergibt „Regnis” das Wort „Singer”, den Namen der legendären Nähmaschinenmarke. Gleichzeitig klingt der Begriff wie ein Neologismus aus dem Lateinischen und lässt sich mit „Wertschätzung“ oder „Huldigung“ deuten – an das Handwerk, an die textile Technik, an weiblich codierte Arbeit.

Carmen Pfanner arbeitet mit Stoff, Latex, Tee, Hasenleim, Porzellanfiguren, Schnittmustern und Fäden. Ausgangspunkt vieler Arbeiten sind kleine, kopflose Tonpüppchen, von denen sie Schnittmuster erstellt, vergrößert, als Negativform anlegt, mit Tee einfärbt und in aufwendiger Handarbeit in plastische Körper verwandelt. Diese Prozesse sind mehr als Technik: Sie stehen für Transformation, für Erinnerung und für einen künstlerischen Umgang mit Körperlichkeit und Identität. Pfanner verbindet die Materialien und Motive über räumliche Distanzen hinweg zu einem dichten, assoziativen Gewebe, das sie selbst als „künstlerische Nabelschnur“ beschreibt.

Auch Kulturstadtrat Reinhold Einwallner ist begeistert: „Pfanners Werke beeindrucken nicht nur in ihrer einzelnen Präsenz, sondern vor allem in ihrer Gesamtheit – und besonders durch die verwendeten Materialien. Sie sind tief verbunden mit Pfanners eigener Geschichte. Die Art, wie sie unterschiedliche Texturen zusammenführt, ist nicht nur formal bemerkenswert, sondern auch inhaltlich stark aufgeladen.“

Die Ausstellung versteht sich als eine Art Bauplan des Lebens. Vom Keller bis zum Dachboden entfaltet sich ein thematischer Kosmos, der durch Farben, Texturen, Strukturen und Kontraste erzählt. Im Erdgeschoss und Untergeschoss dominieren natürliche Materialien, während sich oben der künstliche Körper und die technisierte Ästhetik der Schönheitsindustrie verhandeln. In einem Raum trifft man auf Plastikteile, künstlich genormte Figuren und überformte Lippen – eine kritische Reflexion über den „Einheitsmenschen“ im Zeitalter synthetischer Optimierung. In einer anderen Arbeit mit dem Titel „Space Oddity” verweist Pfanner auf David Bowie und das Verhältnis von Mensch und Kosmos. Das kleine Planetarium, das sie dafür gestaltet hat, spielt mit Trappisten-Planeten, Zellteilungen und Umlaufbahnen und dient dabei als poetische Analogie für das Leben selbst.

Pfanners Werk ist politisch, poetisch und körperlich. Es stellt Fragen nach Identität, Material und Erinnerung sowie Körper und Gesellschaft. Ihre Arbeiten lassen sich feministisch lesen, ohne sich in einer eindeutigen Botschaft erschöpfen zu wollen. Die Räume laden nicht nur zum Betrachten, sondern auch zum Denken, Staunen und Spüren ein.

„Ich versuche, alle Elemente miteinander zu verweben – Themen, Materialien, Formen, Erinnerungen“, sagt Carmen Pfanner. „Ich mag es, wenn aus einzelnen Teilen ein Gesamtbild entsteht. Wenn sich etwas fügt, was vorher nicht zusammengehörte – und dann auf einmal doch Sinn ergibt.“

Zur Ausstellung werden mehrere öffentliche Dialogführungen mit der Künstlerin angeboten: Am 19. Juli findet eine Führung mit Judith Reichart statt, am 23. Juli mit Ingrid Adamer und am 30. August mit Thomas D. Trummer. Die Ausstellung ist bis zum 31. August 2025 im Palais Thurn und Taxis in Bregenz zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 11 bis 18 Uhr.