Im Lehnstuhl übern Schotter reiten

Ein Familientyp zieht sich die Bergler-Kluft über. Warum auch nicht?
Renault. Nein, man kann nicht sagen, dass Douai eine bedeutende Stadt wäre. Dort oben in der Region Nord-Pas-de-Calais gehörte man mal zu Flandern, mal zu Frankreich, mal zu den spanischen Niederlanden. Wenn man sich vorstellt, wie oft Teile der Bevölkerung überstürzt das Weite suchten, glaubt man zu verstehen, woher die Vorliebe fürs transportierende Gewerbe rührt. Dabei bauen die rund 5000 Mitarbeiter von Renault in dem 40.000-Einwohner-Städtchen, in dem die Carbonade Flamande zu regionalem Bier und würzigem Wacholderschnaps genossen wird, gar keine Lkw. Aber der neue Scenic rollt hier vom Band. Und der ist von allem ein wenig. Ein Kompakt-Van, aber mit einer Länge von 4,37 m dafür eigentlich zu lang. Eine Familienkutsche und doch (bedingt) geländetauglich. Ein Pkw mit dem Raumangebot eines Kleintransporters.
Doch hübsch der Reihe nach: Frontantrieb, Dachreling und ein Terrain-Response-System, das den Fahrer unterstützt, deuten auf Offroad-Einsätze hin. Über den Drehregler in der Mittelkonsole lässt sich die Traktion der Antriebsräder auf schlüpfrigem Untergrund verbessern. Das ist zwar noch kein Allrad, aber ziemlich gut gelungen. Unter der Haube schnurrt – frisch aus der Entwicklung – der Vierzylinder-Turbo mit 1,6 Liter Hubraum und 130 PS. Eigentlich arbeitet er beinah geräuschlos. Die Kraft entwickelt sich aus dem Drehzahlkeller ohne Unterbruch mehr als zufriedenstellend. Sportlich will den Renault Scenic eh niemand um die Kurven dreschen.
Dafür lümmelt man nämlich viel zu gemütlich in den Sitzen, die an Bequemlichkeit den Fauteuils um nichts nachstehen, die im 18. Jahrhundert das Leben in den Bürgerhäusern von Douai erträglich machten.
Der Federungskomfort lullt einen ein. Mit dem zentralen Drehregler lässt sich das Infotainment-System bedienen, ohne lästiges Nach-vorne-Beugen. Allerdings ist das System etwas gewöhnungsbedürftig.
Der Scenic braucht deutlich mehr Sprit als angegeben, dafür rollt da ein echtes Raumwunder übers Land. 550 Liter Stauraum erweitern sich ohne die hinteren Sitze auf 2080 Liter. Lasst die Flandern ruhig kommen! ##Thomas Matt##




Fakten
» Motor/Antrieb: 4-Zylinder-Diesel, Frontantrieb, 6-Gang-Getriebe, PS/kW: 130/96, max. Drehmoment: 320 Nm bei 1750 U/min
» Fahrleistung/Verbrauch: Spitze 195 km/h, 0–100 in 10,3 Sekunden; Hubraum 1598 ccm, Verbrauch 4,5 l/100 km, Test 5,7 l, 116 g/km CO2,
» Preis: 29.590 Euro, Testwagen 31.140 Euro