Der Abstieg eines Wunderkindes

Auch abseits von VWs Abgasskandal gerät der Diesel immer mehr unter Druck.
Diesel. Das Stinker-Image abgelegt, den Fahrspaß entdeckt und das nervige Nageln abgedämmt und wegentwickelt – noch vor wenigen Jahren hätte wohl jeder Experte dem Diesel eine große Zukunft prophezeit. Die Entwickler bei Audi bauten – einfach weil sie es konnten – ein Zwölfzylinder-Selbstzünder in ihren Q7 ein und schickten den ehemaligen Ölbrenner sogar auf die Le-Mans-Rennstrecke. Bei Peugeot und Citroën sollte er im Hybridverbund mit einem Elektromotor neue Effizienzgrenzen ausloten. Und die großen deutschen Hersteller wollten mit ihm das Benziner- und Hybridland USA erobern. Letzteres scheint nach den VW-Manipulationen vorerst gescheitert, der Zwölfzylinder-Q7 ist längst eingestellt und die Dieselhybride von PSA sind immer noch keine Bestseller. Doch damit nicht genug: Der Diesel leidet zunehmend unter dem Imageverlust im VW-Skandal. Und kommt nicht mehr aus der Kritik.
Abwärtsentwicklung
Die langsame Abwärtsentwicklung setzte spätestens 2007 ein, als die EU-Verordnung zur Abgasnorm Euro 6 in Kraft trat, die das Stickoxid-Problem des Diesels plötzlich virulent machte. Spätestens Ende 2015 mussten demnach alle neuen Selbstzünder den Ausstoß des gesundheitsschädlichen Gases massiv reduziert haben: von 180 auf maximal noch 80 Milligramm pro Kilometer. Durchaus machbar, aber nur mit großem technischen und finanziellen Aufwand.
Zu dieser Zeit ungefähr muss auch bei VW die folgenschwere Entscheidung gefallen sein, bei den Diesel-Emissionen zu manipulieren. Ende 2015 flog der Schwindel dann in den USA auf. Die Folgen für den Konzern sind noch immer nicht abzusehen. Und auch die anderen Hersteller müssen sich zunehmend Sorgen machen, kommt der Diesel doch nicht zur Ruhe.
Auch im Ausland sorgt der Diesel für Ärger. Frankreich kündigte bereits vor Bekanntwerden des VW-Skandals eine Kehrtwende an. Die Fokussierung auf den Diesel sei ein Fehler, erklärte im Dezember 2015 Premierminister Manuel Valls. Und stellte sogar Fahrverbote in Paris in Aussicht.
Ganz so schnell wird es mit dem Ende des Diesels aber nicht kommen. Für die Autohersteller spielt der sparsame Antrieb eine große Rolle bei der Erreichung künftiger CO2-Ziele – sie werden um die Zukunft des Selbstzünders kämpfen. Zumindest so lange, bis es ausreichend Alternativen gibt. Und nicht zuletzt braucht es Dieselautos allein schon deshalb, weil sonst die Kraftstofflager irgendwann überquellen. Denn Diesel ist nicht nur eine eigene Spritsorte, sondern auch zwingendes Nebenprodukt bei der Benzinherstellung. So lange es an der Tankstelle Super gibt, wird also auch der Diesel irgendwo verbrannt werden müssen.