Blinken in Ägypten: Ringen um Waffenruhe in Gaza-Krieg
US-Außenminister Antony Blinken ist in seinen Vermittlungsbemühungen um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und eine Freilassung der verbliebenen Geiseln am Dienstag in Ägypten eingetroffen. Blinken hatte nach Gesprächen in Jerusalem erklärt, Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu habe einen US-Vermittlungsvorschlag akzeptiert. Die Hamas sagte jedoch, der US-Vorschlag rücke von zuvor vereinbarten Punkten ab.
Die Hamas wirft den USA vor, sich Israels Bedingungen gebeugt zu haben. Washington dulde damit neue Forderungen Netanyahus, erklärte die Islamistenorganisation in einer per Whatsapp versendeten Erklärung. Der aktuelle Vorschlag entspreche nicht dem Entwurf, der Anfang Juli mit den Vermittlern vereinbart worden sei und der auf dem Vorschlag von US-Präsident Joe Biden von Mai basiere, hieß es weiter. Was der Hamas vorgelegt worden sei, stelle vielmehr eine “Umkehrung” dessen dar.
Details dazu, inwiefern der neue Vorschlag abweiche, nannte die Terrororganisation nicht. Berichten zufolge soll es unter anderem um neue Bedingungen bei der Freilassung palästinensischer Häftlinge gehen, die im Austausch für die aus Israel entführten Menschen aus Gefängnissen entlassen werden sollen. Die Hamas wolle ein Abkommen, das zu einem dauerhaften Ende des Gaza-Kriegs führe, betonte die Gruppe in der Mitteilung erneut. Ob der Überbrückungsvorschlag diese Bedingung enthält, dazu gab es keine Angaben. Die Hamas werde keine neuen Bedingungen aushandeln, sagte ihr Sprecher Osama Hamdan der Deutschen Presse-Agentur erneut. Es dürfe nur um die Umsetzung des von Biden im Mai vorgestellten Plans gehen.
Die Islamistenorganisation warf in ihrer Mitteilung den USA zudem Voreingenommenheit zugunsten ihres Verbündeten Israels vor. Sie beschuldigte Israels Regierungschef erneut, derjenige zu sein, der bisher eine Einigung verhindert habe. Er soll den Angaben nach stets neue Bedingungen in den Verhandlungen gestellt haben. Netanyahu bestritt dies zuletzt. Israels Regierungschef macht die aus seiner Sicht unnachgiebige Haltung der Hamas für das Ausbleiben eines Verhandlungserfolgs verantwortlich.
Blinken traf in Ägypten mit Präsident Abdel-Fattah al-Sisi zusammen. Sie hätten sich im ägyptischen Küstenort El Alamein am Mittelmeer über Ergebnisse der vergangenen Verhandlungsrunde in Katar ausgetauscht, teilte der Staatsinformationsdienst SIS mit. Sisi sagte demnach, eine Waffenruhe in Gaza müsse der Anfang einer breiteren Anerkennung eines Palästinenserstaats sein, um Stabilität in der Region zu garantieren. Er warnt vor einer Ausweitung des Krieges im Gazastreifen auf andere Teile der Region. Die Folgen wären schwer vorstellbar, so der ägyptische Staatschef. Blinken wollte nach den Gesprächen in Ägypten nach Katar weiterreisen.
Ägypten vermittelt seit Monaten zusammen mit den USA und Katar bei den Gaza-Gesprächen. Streit gibt es vor allem über die fortgesetzte militärische Präsenz Israels innerhalb Gazas, insbesondere entlang der Grenze zu Ägypten, die freie Bewegung der Palästinenser innerhalb des Gebiets und die Identität und Anzahl der Gefangenen, die in einem Austausch freigelassen werden sollen.
US-Vertreter haben bisher nicht dargelegt, was konkret ihr Vorschlag beinhaltet oder worin er sich von früheren Versionen unterscheidet. “Es gibt Fragen der Umsetzung und der klaren Verständigung darüber, was jede Seite tun wird, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen”, sagte Blinken am Montag. Ägypten konzentriert sich vor allem auf einen Sicherheitsmechanismus für den Philadelphi-Korridor, den schmalen Grenzstreifen zwischen Ägypten und Gaza, den israelische Streitkräfte im Mai eroberten. Sowohl die Hamas als auch Ägypten lehnen es ab, dass Israel Truppen dort behält. Netanyahu beharrt darauf mit dem Argument, sie seien an der Grenze notwendig, um den Waffenschmuggel nach Gaza zu stoppen.
Auf dem Spiel steht das Schicksal des dicht besiedelten Gazastreifens, wo nach Angaben palästinensischer Gesundheitsbehörden seit Oktober durch Israels Feldzug mehr als 40.000 Menschen getötet wurden. Ausgangspunkt des Krieges ist das Massaker der Hamas am 7. Oktober in Israel, bei dem etwa 1.200 Menschen getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Am Dienstag teilte das israelische Militär mit, es habe die Leichen von sechs Geiseln im südlichen Gaza geborgen. Es verbleiben demnach 109 Geiseln im palästinensischen Gebiet, von denen Israel annimmt, dass etwa ein Drittel bereits tot ist.
Es ist Blinkens neunter Besuch in der Region seit dem Hamas-Angriff auf Israel und dem anschließenden Krieg im Gazastreifen vor zehn Monaten. Die USA hatten den Konfliktparteien Israel und Hamas vor wenigen Tagen einen neuen Kompromissvorschlag vorgelegt. In einer gemeinsamen Erklärung der Vermittler USA, Ägypten und Katar hieß es anschließend, der Vorschlag überbrücke “verbleibende Lücken”. Blinken sagte in Israel, die aktuellen Verhandlungen seien “vielleicht die beste, vielleicht die letzte Gelegenheit” für eine Waffenruhe und die Rückkehr der Geiseln.