Goldmord: Wie Norbert Schwendinger eine schockierende Wahrheit aufdeckte

Erinnerungen eines erfahrenen Ermittlers: Als Norbert Schwendinger unfreiwillig in den Fall eines mutmaßlichen Mordes an einem seiner Kollegen verwickelt wurde.
Bregenz, Schwaz Der mysteriöse und seltsame Vorfall, bekannt als der “Goldmord in Tirol”, sorgte für eine beträchtliche Zeit für Schlagzeilen. Auch in Vorarlberg. Denn am 20. März 2012 wurden Morddezernatsleiter Norbert Schwendinger und der Leiter des Landeskriminalamtes in Bregenz unmittelbar als Ermittler in den Fall eingebunden, zusammen mit einem zehnköpfigen Team, genannt die “Soko Gold”. Der Grund dafür war die mögliche Befangenheit der Kollegen in Tirol. Denn der dringende Verdacht des Mordes richtete sich gegen einen Gruppeninspektor vor Ort. Gegen einen Kollegen also. Doch wie bei den meisten Kriminalfällen herrschte anfangs hier eine große Unklarheit.

Vor ein paar Tagen wurde in einem einsamen Waldstück in der Nähe des kleinen Dorfes Erlach ein verlassenes Auto entdeckt. Die Autoscheiben waren von Ruß und Dunkelheit geschwärzt. Im Inneren des Fahrzeugs befand sich die Leiche einer Frau. Die Verstorbene war die Filialleiterin einer Bank in Tirol. Ihre Tochter hatte sie als vermisst gemeldet, da ihre Mutter am Morgen nicht zu Hause war. Die Spurensicherer des Tiroler Landeskriminalamtes fanden verbrannte Teile und ein Signalfeuer im Auto. Die Autopsie des Leichnams ergab, dass die Frau mit Chloroform betäubt worden war. Der Verdacht auf Fremdeinwirkung verstärkte sich. Dem noch unbekannten Täter unterlief ein Fehler: Er wollte das Auto vollständig mit Benzin in Brand setzen, aber er sorgte nicht für ausreichende Sauerstoffzufuhr.

Es folgten Umfragen und Befragungen seitens der Ermittler. Und dann geschah der Schock: Die Tochter des Opfers enthüllte, dass ihre Mutter eine gemeinsame Skireise mit einem Polizisten geplant hatte. Schon seit einiger Zeit wurden Gerüchte über eine Affäre zwischen den beiden laut. Schwendinger berichtet mit großer Empörung: “Des Weiteren wurde in der Bank, in der die Frau arbeitete, festgestellt, dass die Filialleiterin kurz zuvor acht Kilogramm Gold bestellt hatte. Dieses war für eine Bekannte des Gruppeninspektors bestimmt. Die Übergabe sollte jedoch außerhalb der Bank stattfinden.”
Gruppeninspektor geriet ins Visier
Die Goldbarren hatten damals einen Wert von etwa 335.000 Euro. „Die Filialleiterin hat alles richtig gemacht, sowohl bei der Bestellung als auch beim Übergabeort, und sich mit ihrem Chef abgestimmt“, erklärt der Chef der Mordkommission in Vorarlberg. Der entscheidende Punkt ist jedoch, dass nach der Übergabe der Goldbarren kein Geld in die Bankkasse gelegt wurde. Der Gruppeninspektor geriet ins Visier der Ermittlungen. Auf Anweisung der Staatsanwaltschaft wurde er festgenommen und im Landeskriminalamt Tirol befragt. Bei der Vernehmung entkam der Verdächtige. Ein Beamter verfolgte ihn, es kam zu einem gewaltsamen Handgemenge. Dem Verdächtigen gelang es, dem Verfolger die Dienstwaffe zu entreißen. Er hielt sie an die Brust des Beamten und drückte ab. Doch durch den direkten Druck auf die Brust löste sich an der “Glock”-Pistole ein Sicherheitsmechanismus aus, und die Kugel wurde nicht abgefeuert. „Das hat dem Beamten das Leben gerettet“, sagt Schwendinger.
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Die Fülle an erschütternden Beweisen gegen den Gruppeninspektor zwang zu seiner Inhaftierung und zur Anklage wegen Mordes und versuchten Mordes. “Als Vorarlberger hatten wir mit einem Mordfall zu tun, während unsere Kärntner Kollegen wegen eines versuchten Mordes ermittelten”, erinnert sich Schwendinger emotional.
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Die Masse an zutiefst erschütternden Beweisen gegen den Gruppeninspektor war dermaßen überwältigend, dass er unausweichlich hinter Gittern landete und nun wegen Mordes und versuchten Mordes angeklagt wird. “Als ich als stolzer Vorarlberger mit diesem grausamen Mordfall konfrontiert wurde, durchlebten meine Kärntner Kollegen gleichzeitig die Ermittlungen zu einem versuchten Mord”, berichtet Schwendinger voller Emotionen.
Geheimnis mit ins Grab genommen
Der angeklagte Polizist war nie geständig. Schwendinger: „Es folgte ein mehrtägiger Indizienprozess mit einem Schuldspruch. Der Angeklagte wurde wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt und nahm sich Wochen später in der Zelle das Leben. Die Goldbarren wurden nie gefunden. Bis heute nicht. Der Verurteilte hat das Rätsel über das Versteck des Goldes mit ins Grab genommen.“
zur person
Norbert Schwendinger
Chefermittler in 28 vollendeten und 60 versuchten Mordfällen in Vorarlberg)
Geboren 5. Dezember 1958 Familie in Lebensgemeinschaft, zwei Kinder
Laufbahn 1979 bis 1991: Gendarmeriebeamter auf den Dienststellen Höchst und Lochau; 1991 bis 1996: Kriminalbeamter bei den Abteilungen Raub und Diebstahl; 1996 bis 2008: Leiter der Diebstahlsgruppe im Landeskriminalamt; 2008 bis 1. August 2019: Leiter der Abteilung LKA 1 Leib/Leben (Mordkommission); am 1. August 2019 ging der heute 63-Jährige in Pension
Buchtipp: Tatort Vorarlberg, wahre Kriminalfälle (zwei Editionen). Die Bücher sind im Buchhandel (u.a. Das Buch im Messepark) erhältlich.