Dichterfürst und Liederfürst

Der Tenor Christoph Prégardien veredelte einen Liederabend nach Goethe-Texten.
von Fritz Jurmann
Schwarzenberg Nach den gut gebuchten Schubertiade-Konzerten heuer in Hohenems und Schwarzenberg findet der dortige zweite Teil des Festivals seit Samstag im Angelika-Kauffmann-Saal besonderes Interesse eines internationalen Fachpublikums. Neben Gästen aus Deutschland, die rund die Hälfte der Besucher ausmachen, aus Österreich und der Schweiz sind auch bei diesem Zyklus wieder Musikbegeisterte aus ganz Europa und Übersee zu Gast, wie uns Pressedame Evelyn Gmeiner verrät. Innerhalb von neun Tagen stehen acht Liederabende, sieben Kammerkonzerte und vier Klavierabende zur Auswahl.

Ebenso international ist auch die Riege der prominenten Mitwirkenden, für die Besucher vielfach über Jahrzehnte vertraute Namen und Gesichter, zu denen sich regelmäßig auch neue, interessante Entdeckungen gesellen. Ein besonders schönes Beispiel für die Verbundenheit eines Künstlers mit einem Ort und dessen Publikum ist der deutsche Tenor Christoph Prégardien (67), der am Samstag sein 30-jähriges Jubiläum bei der Schubertiade feierte. Auch nach bisher rekordverdächtigen 77 Auftritten in Feldkirch, Hohenems und Schwarzenberg gelingt es ihm stets von Neuem, sein Publikum mitzunehmen und mit seinen Programmideen – wie diesmal einem „Goethe-Special“ verschiedener Komponisten mit Schwerpunkt Schubert – zu fesseln. Vielleicht war es aber doch keine so gute Idee, diesem Goethe-Liedprogramm ausgerechnet Schiller voranzustellen, einen Knüller humanistischer Bildung wie dessen Ballade „Die Bürgschaft“ in der Schubert-Vertonung. Der Sänger bewältigt das 15-minütige strapaziöse Hasardstück textlich zwar mühelos auswendig, wirkt aber stimmlich in der Höhe noch etwas angestrengt, wo doch sonst der bruchlose Registerwechsel zu seinen bevorzugten Eigenschaften zählt. Dazu kommt, dass der britische Liedbegleiter Julius Drake manchmal etwas zu wuchtig in die Tasten greift und damit die subtile Stimme zum Forcieren zwingt.
Weite Legatobögen
Dafür entfaltet sich danach bei Schubertliedern nach Goethe die ganze Schönheit und sorgfältig gepflegte Klangkultur von Prégardiens lyrischem Tenor. Er ist an diesem Abend der ideale Interpret, denn für ihn sind die literarischen Vorlagen, die er wortdeutlich gewichtet, stets gleichwertig mit der Musik. Die drei Gesänge des Harfners aus „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ zelebriert er mit weit ausgesponnenen Legatobögen, der „Erlkönig“ wird zum ersten Glanzpunkt. Wo andere Interpreten bei dieser Gelegenheit zum Holzhammer greifen, lässt Prégardien die Geistergestalt bloß säuseln, mit den intimen Mitteln barocker Vokalkunst, die er sich von den Limburger Domsingknaben ins Heute herübergerettet hat – beeindruckend! Der Herr Geheimrat in Weimar, dem Schubert seine Vertonung dieses Textes in Bewunderung schickte, nahm übrigens keinerlei Notiz von dem seiner Meinung nach unbedeutenden Komponisten aus Wien. Dass weitere Gedichte Goethes erst als Schubertlieder Unsterblichkeit erlangten, hat weder der Dichterfürst noch der Liederfürst erlebt.

Goethe zieht sich weiter durch das dramaturgisch klug gestaltete Programm, als roter Faden, der einen bunten Liederstrauß anderer Komponisten zusammenhält. Da erstrahlt bei Liszt glitzernd die Klavierbegleitung des wunderbaren Julius Drake in „Freudvoll und leidvoll“, man leidet bei Beethoven mit der „Wonne der Wehmut“, erfreut sich an drei knappen Gesängen von Hugo Wolf, wird von einer kaum bekannten, freilich harmloseren Version des „Erlkönig“ von Carl Loewe überrascht. Bis alles doch wieder bei Franz Schubert seine Erfüllung findet, in einem an Intensität, Konzentration und Pianokultur wohl unerreichbaren „Wandrers Nachtlied II“. Großer Jubel.