Er lässt sich von seiner Krankheit nicht in die Knie zwingen

Stefan Zanghellini (56) glaubt an die Kraft der Gedanken. Seine positive Einstellung erleichtert ihm den Umgang mit seiner MS-Erkrankung.
Meiningen Als Kind hatte er das Nachsehen. „Meine Mutter bevorzugte meinen älteren Bruder. Er war das Lieblingskind.“ Stefan Zanghellini (56) zog daraus schon früh den Schluss, dass er weniger wert sei als andere. Das hatte zur Folge, „dass ich mich selbst nie wichtig nahm und für andere immer mehr tat als für mich“. Gegenüber sich selbst hingegen entwickelte er eine ausgesprochene Härte. Als ihm eine Ärztin im Jahr 2001 mit betrübter Miene mitteilte, dass er an Multipler Sklerose (MS) leidet, dachte sich der damals 34-jährige Mann: „Zum Glück hat’s mich erwischt. Ein anderer würde das gar nicht verkraften.“

Die unheilbare Nervenkrankheit kam schleichend in sein Leben. „Ich war 22, als ich meinen ersten MS-Schub hatte. Eine Woche lang war mir schwindelig. Damals dachte ich mir aber noch nicht viel dabei.“ Zwölf Jahre später, am 16. Oktober 2001, musste seine Frau die Rettung rufen. „Ich konnte nicht mehr aufrecht stehen und nicht mehr gehen – derartige Gleichgewichtsstörungen hatte ich.“ Eine Woche verbrachte er im Spital. „Nach Cortison-Gaben kam ich am zweiten Tag wieder auf die Beine, aber ich ging wie ein hochbetagter Mensch.“ Das MRT sprach eine klare Sprache. „Die 13 weißen Flecken in meinem Gehirn waren Entzündungen.“

Die Krankheit bremste den Mittdreißiger voll aus. Der gelernte Elektroniker war zu dieser Zeit selbstständig – er betrieb erfolgreich eine Immobilienfirma – und Leistungssportler. „Ich bin jede Woche über 100 Kilometer gerannt.“ Zudem war er ein begeisterter Mountainbiker und Fußballer. „Ich habe für den FC Mäder gespielt.“ Als ihm klar wurde, dass er nach dem schweren Krankheitsschub nicht mehr arbeitsfähig ist und die Berufsunfähigkeitspension beantragen muss, geriet er kurzzeitig in eine Krise. „Ich fühlte mich nutzlos. Das machte mir neben meinen Muskelverkrampfungen, meiner chronischen Müdigkeit und meiner Vergesslichkeit zu schaffen.“
Aber Stefan verlor sich nicht im Selbstmitleid. Bald begann er wieder zu trainieren, um körperlich fitter zu werden. Er befolgte den Rat des Arztes, jeden Tag mindestens eine halbe Stunde spazieren zu gehen. „Ich ging ins Tierheim und holte mir einen Hund, mit dem ich Gassi gehen konnte.“ Stefan begann auch wieder Fußball zu spielen. „Der Fußball war meine Motivation. Egal, wie schlecht es mir ging, ich hatte ein Ziel: am Abend Fußball zu spielen.“ Freilich: Die Krankheit hat ihn auch schon auf dem Fußballplatz ins Straucheln gebracht. „Unterm Rennen wurde mein Bein plötzlich lahm.“

Doch der Meininger lässt sich durch die MS nicht einschränken. „Ich kann alles machen. Inzwischen arbeite ich auch wieder geringfügig.“ Der 56-Jährige merkte, dass vieles Kopfsache ist. „Das, was du denkst, passiert. Deshalb ist es wichtig, dass man positive Gedanken hat.“ Bereits im Jahr 2005 traf Stefan für sich eine Entscheidung. „Ab heute bestimmt nicht mehr die Krankheit über meine Befindlichkeit. Ab heute bestimme ich es beziehungsweise mein Kopf. Seither geht es mir besser.“ Dass manche Menschen, die an Multipler Sklerose leiden, im Rollstuhl landen, blendet er aus. „Ich denke nicht daran, dann kann es auch nicht passieren“, sagt er und zieht sich seine Laufschuhe an. Stefans Hunde warten draußen im Garten schon ungeduldig auf ihr Herrchen.
