Von Taschengeld bis Mobbing

Kinder- und Jugendanwaltschaft hat bei Fällen kräftig zugelegt.
Bregenz Die Hilfe der Kinder- und Jugendanwaltschaft ist immer mehr gefragt. Im vergangenen Jahr wurden 300 Einzelfälle bearbeitet, was einer Steigerung um 30 Prozent gegenüber 2022 entspricht. Zugesetzt haben jungen Menschen globale und regionale Krisen im Verbund mit einer allgemein hohen psychischen Belastung. Hält die Entwicklung an, ist laut Kinder- und Jugendanwalt Christian Netzer auch heuer mit einer ähnlichen Steigerung an Anfragen zu rechnen. Was die aktuelle Debatte um eine Herabsetzung der Strafmündigkeit betrifft, gibt sich Netzer zurückhaltend. Er verstehe die Diskussion und Sichtweisen der Opfer, rate aber von dieser Maßnahme ab, denn die Justiz könne nicht die Erziehung übernehmen. Da gebe es Themen, die schon im Hintergrund bearbeitet werden müssten. „Es ist riskant, eine so komplexe Sache mit einer einfachen Antwort lösen zu wollen“, sagte Netzer anlässlich der Präsentation seines Tätigkeitsberichts.
Gesetze als Hemmnis
Das vergangene Arbeitsjahr selbst war geprägt von verschiedenen Anliegen, die Kinder und Jugendliche an ihre Interessensvertretung herantrugen. Bei Jüngeren ging es beispielsweise um Taschengeld und Ausgehzeiten, bei Älteren spielten Fragen zur Obsorge, zur finanziellen Unterstützung durch die Eltern bei einem Auszug oder bereits Strafsachen eine Rolle. Erwachsene wandten sich in Sachen Schule, Kindergarten und Obsorge an den Kinder- und Jugendanwalt. Die Fälle würden jedoch zunehmend komplexer und könnten oft nur durch das Zusammenwirken mehrerer Stellen gelöst werden. Als Beispiele nannte Christian Netzer die Bereiche Soziales, Bildung und Gesundheit. Doch das bereite in der Praxis teilweise Probleme. Als Hemmnis gab er die unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen an. Nichtsdestotrotz müssten sich die Systeme an den Kindern und Familien orientieren und nicht umgekehrt.

Vermehrte Anfragen betrafen Schule und Kindergarten. Kinder, die in der Schule fehlen, Mobbing, pädagogisches Vorgehen, das Eltern nicht passt, Diskriminierung, Suspendierung: „Es gibt hier immer mehr Reibereien“, stellte Netzer fest. Seiner Einschätzung nach hängt das auch damit zusammen, dass speziell die Schule nicht nur Bildungs-, sondern verstärkt Lebensraum für Kinder ist. Das erfordere entsprechende Unterstützungsangebote.
Kinderschutzkonzepte
Positiv eingeschlagen haben die Mystery Shopping-Testkäufe, die es seit 2004 gibt. Die Abgabenquote bei Alkohol an Jugendliche lag damals bei 70 bis 80 Prozent. Inzwischen ist sie auf 22 Prozent gesunken. Bei Tabak- und Nikotinprodukten rutschte sie 2023 sogar auf den bisherigen Tiefststand von 13 Prozent. Dem gesetzlichen Auftrag zur Vermittlung der Kinderrechte in Form von Workshops an Schulen kommt die Kinder- und Jugendanwaltschaft weiterhin nach, taucht damit heuer aber stärker in die digitale Welt bzw. das Cybermobbing ein. Ab Juni werden zudem selbst entwickelte Ausbildungen für Kinderschutzbeauftragte angeboten. Hier geht es um die Erstellung und Implementierung von Kinderschutzkonzepten.
Fallzahlen 2023
300 Einzelfälle wurden 2023 durch die Kinder- und Jugendanwaltschaft bearbeitet
27 Prozent der Fälle wurden anonym eingebracht
11 Prozent der Anfragen/Themen stammten direkt von Kindern und Jugendlichen
88 Prozent der Fälle konnten gelöst werden, in 12 Prozent wurde an andere Stellen weitervermittelt.
Themenschwerpunkte nach Altersgruppen
0 bis 14 Jahre: Kinderrechte
14 bis 18 Jahre: Obsorge/Kontaktrecht, Rechtsfragen allgemein, Strafsachen
18 bis 21 Jahre: allgemeine Rechtsfragen
Erwachsene: Schule/Kindergarten/Spielgruppe und Obsorge/Kontaktrecht