Gezeigt, wo Gott wohnt

02.05.2024 • 13:41 Uhr
Schumann Quartett und Sergej Stadler
Das Schumann Quartett spielte gemeinsam mit Alexej Stadler am zweiten Cello Schuberts Streichquintett in C-Dur. schubertiade

Die Schubertiade ist neben dem Liedgesang auch ein Mekka internationaler Streichquartette.

HOHENEMS In einem Jahr feiert die Schubertiade ihre 50. Ausgabe. Anlass genug daran zu erinnern, dass dieses Festival auf Weltniveau nicht nur der Pflege des immer seltener werdenden Liedgesanges rund um Franz Schubert verpflichtet ist, sondern ebenso in den Bereichen Klaviermusik und Kammermusik auf Konzerte von Höchstklasse verweisen kann. Im Besonderen sind es die namhaftesten internationalen Streichquartette, die sich hier die Klinke in die Hand geben, miteinander in einen gedachten Wettbewerb treten und einander dann zeigen, wo jener Gott wohnt, der Schubert heißt.

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Und immer wieder glaubt man als langjähriger Besucher, diese und keine andere Version eines bestimmten Kammermusikwerkes sei nun die beste, die man hier je gehört habe. So wie etwa das berühmte einzige Schubert-Streichquintett in C-Dur, das das legendäre Alban-Berg-Quartett zusammen mit Heinrich Schiff am zweiten Violoncello zwischen seinem Debüt im Rittersaal 1984 und weiteren regelmäßigen Schubertiade-Auftritten bis 2004 umjubelt und völlig unbestritten zur Maxime an atemberaubender Ausnahmequalität stilisiert hat.

Schumann Quartett und Sergej Stadler
Der Saal war in seinem Begeisterungstaumel kaum zu besänftigen. schubertiade

Man glaubt, die Ereignisse von damals wiederholen sich, wenn man an diesem Feiertag das deutsche Schumann Quartett der Brüder Erik, Ken und Mark sowie Veit Hertenstein erlebt, das seit seinem Debüt 2013 fast jedes Jahr hier zu Gast ist, meist mit Kammermusikern wie dem Pianisten Kit Armstrong oder den Klarinettisten Sabine Meyer, Jörg Widmann oder Sharon Kam. Erstmals wird damit auch Schuberts Quintett in dieser Besetzung aufgeführt, in die sich der namhafte junge Russe Alexey Stadler als Debütant am zweiten Cello mit seinem rhythmischen „Plum, plum“ wunderbar einfügt. Der Verdacht mit den Bezügen zum Alban-Berg-Quartett erhärtet sich, wenn man erfährt, dass die Schumanns dereinst von dessen Primarius Günter Pichler wichtige Impulse empfangen haben.

Schumann Quartett und Sergej Stadler
Der 2. Teil der Matinee war das Streichquartett A-Dur von Mozart. schubertiade

Man braucht nicht lange darum herumzureden: Das ist nun wirklich fast eine Blaupause jener Version, die in ihrem Klangkosmos voller Schönheit und Dramatik seit den Achtzigern in den Köpfen der Schubertianer herumgeistert und der Erinnerung wohl am nächsten kommt: mit ihren fünf Instrumenten, die sofort zu einem einzigen verschmelzen, der hochgradigen Konzentration, die im Laufe dieser Stunde viele spannende Details zu kleinen Wundern werden lässt. Brillant die verlöschenden Schlüsse, das kontrollierte Vibrato als Stilelement, die genau bemessene verstörende Ausdruckskraft im Furioso des Adagios, das in seiner Todesnähe jemand „Die fast verlorene Zeit“ genannt hat. Die Einschätzung, dass neben einem solchen Werk in solcher Interpretation das durchaus ehrenwerte Streichquartett A-Dur von Mozart in seiner Bedeutung zur Beliebigkeit abfällt, mag man verzeihen. Der Saal jedenfalls war in seinem Begeisterungstaumel für Schubert kaum zu besänftigen.


FRITZ JURMANN