Seine fünfte Symphonie ist ein Buch

Floredo überrascht als Komponist des bekenntnishaften Werks „Wenn Bach käme“.
ALTACH Michael Floredo ist als Komponist und Orgelimprovisator stets ein Vordenker, der vor allem mit seinen vier Symphonien regelmäßig für Furore sorgt. Etwa 2010, als er mit seiner Orgelsymphonie Nr. 3 mit drei Organisten gleichzeitig an einer Orgel im Stift St. Florian an der Brucknerorgel auftrumpfte. Dieses Werk wird heuer zum Brucknerjahr am 20. August bei den Int. Brucknertagen in St. Florian erneut aufgeführt. Nun die nächste faustdicke Überraschung: Floredo präsentiert seine fünfte Symphonie nicht als Musikstück, sondern in radikal reduzierter Besetzung in Buchform. Getreu dem Untertitel „Wenn Bach käme“ geht er davon aus, dass der Komponist bald 300 Jahre nach seinem Tod die modernen Errungenschaften unserer Zeit aufgreift und diese nicht ohne seine Erkenntnis in einer altertümlich barocken Sprache kommentiert.

Was hat Sie veranlasst, anstelle einer tatsächlichen fünften Symphonie ein Buch zu „komponieren“? Warum nicht gleich ein Buch, das als solches auch deklariert ist?
FLOREDO Viele Autoren sagen oft selbst, dass ihre Literatur wie Musik ist, und Sprache ist eine Form von Musik. Ich als Komponist sehe mich hier auch nicht als Autor, sondern gehe mit meiner „Fünften“ dieses Mal den anderen Weg: Musik als konkrete Information in Form von Aufklärung. Dabei bin ich dem Begriff Symphonie und Sprache als Musik nachgegangen. Platon, 500 Jahre v. Chr., verwendet das Wort Symphonie zum ersten Mal in seinem zehnten Buch der Politeia (Politik) und beschreibt damit das Zusammenwirken, den Zusammenklang von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Sie sprechen in Ihrem Buch Ihnen wichtige Fragen an von Ideen griechischer Philosophen bis zur Zahlenmystik oder der fehlenden Akzeptanz Neuer Musik. War das nun für Sie eine Art Selbstentäußerung, eine Befreiung von Zwängen, die Sie Bach in den Mund legen?

FLOREDO Ich möchte Bach nichts in den Mund legen, habe auch keine Zwänge, sondern seit 2020, dem Jubeljahr Beethovens, das im Buch auch erwähnt wird, unglaubliche politische Zwänge im einzigen Land Europas erleben müssen. Schauen Sie: Musiker sagen oft, dass sie sich selbst beim Spielen von Werken in die Komponisten hineinversetzen. Ich habe einfach meinem Wissen und Können die Frage gestellt, was würde Bach dazu sagen, warum viele Leute heute noch glauben, dass Klassische Musik nur Altes betrifft und nicht auch die Neue Musik? Wenn er heutige Konzerte besuchte und feststellte, dass 95 Prozent der Programme der klassischen Musikfestivals Musik von 1400 bis 1911 beinhalten? Hauptsächlich Musik des 18. und 19. Jahrhunderts, ohne auch hier eine Verhältnismäßigkeit von Vergangenheit und Gegenwart anzustreben. In Bachs Zeit wurde hauptsächlich Musik aus seiner Zeit gespielt.
Dieses Buch stellt auch fantasievolle, gescheite musikalisch-philosophische Gedanken durchaus mit Unterhaltungswert zur Diskussion. Wollten Sie damit eine intellektuelle Überfrachtung Ihrer Leserschaft vermeiden?

FLOREDO Schwierige und komplexe Fragen unserer Zeit in einer höflichen, erzählerischen, aber durchaus direkten Sprache auf den Punkt zu bringen und neue Erkenntnisse daraus zu gewinnen, sind Hauptanliegen dieser Symphonie.
Die in barocker Manier bewusst altertümlich klingende Sprache Bachs im 18. Jahrhundert ist zwar authentisch, aber nicht immer leicht verständlich für den Leser, bei dem Sie auch die Kenntnis von Bachs Biografie voraussetzen.
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FLOREDO Bachs Musik ist ja auch nicht immer gerade die Leichteste. Dafür gibt es einige Beispiele. Kenntnisse über seine Biografie sind hier beim Leser nicht notwendig. Alle wichtigen Lebensstationen Bachs sind erwähnt und im Spiegel zu unserer Zeit beschrieben.
Ein Buch also mit und über Bach. Dabei dachten wir immer, Ihre glühende Verehrung würde viel mehr Anton Bruckner gelten?
FLOREDO Bruckner, wie wohl alle anderen auch, die nach Bach folgen, sind ohne Bach nicht denkbar. In meiner „Fünften“ spielt Anton Bruckner mit vielen anderen Musikern, Wissenschaftlern und Philosophen eine wesentliche Rolle, sozusagen, mit der Brücke über den Bach.
FRITZ JURMANN
Michael Floredo: „V. Symphonie – Wenn Bach käme“, 245 Seiten, Romeon Verlag, Jüchen