Bei der Schrankenwärterin konnten die Promis privat sein

30 Jahre lang wies Roswitha Tieber (77) die Wiener Symphoniker in den Parkplatz beim Bauhaus in Bregenz ein. Daraus entstanden schöne Freundschaften.
Lochau Roswitha Tieber (77) trennt sich nur ungern von Dingen, schon gar nicht von solchen, die sie geschenkt bekommen hat. „Es sind Erinnerungsstücke. Die werfe ich nicht weg.“ Ihre Wohnung strotzt nur so vor Erinnerungen. Da sieht man kleine und große Osterhasen-Figuren, Miniatur-Vögel, die auf Knopfdruck pfeifen, dazwischen lugen eine geschnitzte Madonna und eine Jesusfigur hervor.
Roswitha ist sehr gläubig. „Jesus begleitet mich seit meiner Kindheit durchs Leben. Über die schweren Zeiten hat er mich getragen.“ Ihr Ehemann Johann litt an Alzheimer. „Ich habe ihn acht Jahre, bis zu seinem Tod im Jahr 2007, gepflegt.“ Auch Josef, ihren zweiten Lebensmenschen, betreute sie bis zu seinem Tod im Jahr 2018.

Vor drei Jahren wäre sie selbst beinahe gestorben. Wegen eines Darmdurchbruchs musste sie notoperiert werden. „Nach der OP wurde ich gegen 2 Uhr morgens wach. Ich sah eine schemenhafte Gestalt an meinem Bett. Es fühlte sich an, als ob mir jemand seine Hand auf den Bauch gelegt hätte. Mir wurde richtig warm.“ Die gebürtige Niederösterreicherin hält kurz inne. Dann meint sie vielsagend: „Vielleicht war es Jesus.“
Roswithas Blick schweift zur Jesusfigur und bleibt dann in der Ecke mit den vielen Teddybären hängen. Seit sie denken kann, hat sie ein Faible für Plüschbären. Roswitha mag aber auch Blumen. „Sie sind das Lachen der Erde.“ Die Fenstersimse sind voll davon. Vor allem Orchideen scheinen es der Wahllochauerin angetan zu haben. Auch auf dem Balkon gedeihen Pflanzen in üppiger Pracht: Palmen, Bananen-, Mandarinen- und Zitronenbäume und Oleander.

Egal wohin Roswitha in ihrer reich dekorierten Wohnung auch blickt, überall stößt sie auf Erinnerungen. Die mit Bildern und Klebefotos geschmückten Wände legen Zeugnis ab von schönen Begegnungen und gemütlichen Zusammenkünften. „Wenn ich an den Fotos vorbeigehe, denke ich: Schön war es.“ Sie zeigen Roswitha mit verschiedenen Musikern der Wiener Symphoniker, Festspielgrößen, Künstlern und Kommunalpolitikern. Mit ihnen war sie auf Du und Du.
Und das kam so: 1993 engagierten die Bregenzer Festspiele sie als Schrankenwärterin. „Ich musste beim Parkplatz beim Bauhaus in Bregenz abends darauf achten, dass nur die Wiener Symphoniker hier parken. Für sie habe ich die Schranke geöffnet.“ Diese Tätigkeit während der Festspielzeit – Roswitha übte sie 30 Jahre lang aus – brachte es mit sich, dass sie mit den Musikern Bekanntschaft schloss.

Die vierfache Mutter verwöhnte „ihre“ Symphoniker mit selbstgebackenem Marillenkuchen. „Den brachte ich ihnen immer mit. Das hatte Tradition.“ Dafür gab es Küsschen und Umarmungen. Roswitha lud sie auch zu sich nach Hause ein. „Ich habe manchmal für sie gekocht. Meistens gab es Schweinsbraten mit Kartoffelknödel, Spareribs oder Zander.“ Zu ihren Gästen zählten unter anderem der Chefdirigent der Symphoniker, Philippe Jordan, die Bratschisten Martin Ortner und Gerhard Kanzian, der Violinist Peter Grosch, der Kontrabassist Werner Fleischmann, Festspiel-Intendant Alfred Wopmann, Festspielvizepräsident Karl Schobel, PolitikerInnen wie Elisabeth Gehrer, Siegfried Gasser und Markus Linhart, der Künstler Elmar Fetz oder der Hohentwiel-Kapitän Adolf Konstatzky.

Roswitha stellte fest, dass auch Promis ganz normale Leute sind. „Bei mir konnten sie privat sein, was gesprochen wurde, ging nicht raus.“ Die Gäste fühlten sich wohl bei ihr. „Bei Dir ist es so gemütlich. Du bist wie unsere Mutter“, heimste Roswitha Komplimente ein. Doch in dieser Festspielsaison konnte sie aufgrund gesundheitlicher Probleme keine Einladungen aussprechen. Das hat ihr sehr leidgetan. Es grämt die altgediente Schrankenwärterin auch, dass die Bregenzer Festspiele ihren Arbeitsvertrag im Frühling nicht mehr verlängert haben. „Auf Nachfrage wurde mir im April mitgeteilt, dass ab dieser Festspielsaison ein Security-Dienst meine Arbeit übernimmt.“
