Inmitten von Toten gestanden

26.12.2024 • 07:35 Uhr
Inmitten von Toten gestanden
Werner Meisinger hat seine guten und weniger guten Erinnerungen gesammelt. VN/Paulitsch

Werner Meisinger erinnert sich an seinen Einsatz nach dem verheerenden Tsunami am 26. Dezember 2004

Lauterach Nachdenklich blättert Werner Meisinger (63) durch einen Stapel von Zeitungsartikeln. Sie dokumentieren seine zahlreichen Hilfseinsätze, die er als Landesrettungskommandant des Roten Kreuzes Vorarlberg und im Auftrag der UNO durchführte bzw. koordinierte. Meisinger hat dabei viel an Leid, Tod und Zerstörung gesehen. Am intensivsten empfand er jedoch die Bilder, die sich ihm und weiteren Helfern nach dem verheerenden Tsunami boten, der am 26. Dezember 2004 die Welt in Atem hielt. Werner Meisinger erzählt, wie sie in Thailand zwischen angeschwemmten Toten standen und sich in Klöstern die Särge links und rechts bis zur Decke stapelten. „Es war heftig“, schildert er seine Empfindungen. Ein noch schlimmeres Szenario bot sich den Rettungskräften in der indonesischen Provinz Aceh, denn an der Nordspitze der Insel Sumatra lag das Epizentrum des todbringenden Seebebens. Fast 230.000 Menschen verloren ihr Leben.

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Das Rote Kreuz war ein langjähriger Teil von Werner Meisingers Leben.

Namenslisten durchforstet

Zwanzig Jahre sind inzwischen vergangen. Werner Meisinger hat die Eindrücke aus seinem Kopf verbannt, wie er das mit allen Ausrückungen machte: „Um professionell arbeiten zu können, darf man solche Erlebnisse nicht zu nahe an sich herankommen lassen.“ Wird er auf den Tsunami angesprochen oder hört er das Lied „Das ist die perfekte Welle“, das damals nicht mehr gesungen werden durfte, sind sie aber rasch wieder präsent. Gemeinsam mit Hubert Vetter, Claudia Hinteregger und Robert Spiegel flog Meisinger zwei Tage nach der Katastrophe nach Thailand, um dort gestrandete Vorarlberger zu unterstützen. Er spricht von einem „absoluten Chaos“. Sie klapperten Krankenhäuser ab, durchforsteten Namenslisten und konnten zumindest bei einigen Identifizierungen helfen. Doch Wasser und Hitze hatten die Toten oft bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Viele von ihnen wurden letztlich verbrannt. Was Werner Meisinger an Positivem in Erinnerung blieb, ist die Tatkraft der Menschen: „Drei Tage nach dem Tsunami haben die Leute schon wieder begonnen, Strommasten aufzustellen.“ Das Leben kehrte langsam zurück.

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Werner Meisinger hat bei seinen Einsätzen viel Leid gesehen.

Bezug zum Leben gestärkt

Im Februar 2005 reiste Werner Meisinger als Leiter eines internationalen Helferteams nach Aceh. Hier hatte der Tsunami am stärksten gewütet. Bis zu 30 Meter hohe Wellen spülten alles, was sich ihnen in den Weg stellte, zehn Kilometer und weiter ins Landesinnere. „Die Gefühle, die dieser Anblick auslöste, lassen sich nicht beschreiben“, sagt Meisinger und verstummt kurz. Bei diesem Einsatz ging es vorrangig um die Bereitstellung von sauberem Wasser und das Verhindern von Seuchen durch entsprechende Hygieneprojekte. Fünf Wochen verbrachte der Lauteracher in der schwer heimgesuchten indonesischen Provinz. „Die Realität“, sinniert er, „sieht immer anders aus, als das, was berichtet wird.“ Der Rettungsdienst beim Roten Kreuz sei eine gute Schule für die großen Einsätze gewesen. 17 Jahre arbeitete Werner Meisinger zudem ehrenamtlich als Landesrettungskommandant. 2021 zog er sich von allem zurück. Inzwischen genießt er die Pension. Mit Fragen zum Umgang mit dem Tod hält er sich nicht auf. Vielmehr stärkte das Leid, das er gesehen hat, seinen Bezug zum Leben.

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Wener Meisinger bei einer Pressekonferenz nach der Rückkehr aus Banda Aceh.
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Auch dieser offizielle Ausweis findet sich in der Sammlung von Werner Meisinger.
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Was zu seinen Ausrückungen geschrieben wurde, hat Werner Meisinger gesammelt.
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Der ehemalige Landesrettungskommandant absolvierte 20 internationale Einsätze.
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