Toleranz, Natur und Verständigung

31.03.2025 • 13:56 Uhr
Toleranz, Natur und Verständigung
Bundespräsident Alexander Van der Bellen: “Mit Barbara Frischmuth hat Österreich eine seiner einfühlsamsten, aufmerksamsten Schriftstellerinnen verloren”. APA/BARBARA GINDL

Die österreichische Autorin Barbara Frischmuth ist 83-jährig verstorben.

Altaussee Barbara Frischmuth wurde am 5. Juli 1941 in Altaussee geboren. Die Lektüre von “Tausendundeine Nacht” weckte ihr Interesse am Orient, am Fremden und dem anderen, das sie nach Absolvierung des Gymnasiums nicht, wie eigentlich vorgesehen, an die Hotelfachschule gehen, sondern am Dolmetscher-Institut in Graz Türkisch und Ungarisch und später Orientalistik in Wien studieren ließ.

Toleranz, Natur und Verständigung
APA/BARBARA GINDL

Ein Stipendium führte sie 1960/61 in die Türkei – an die ostanatolische Universität in Erzurum. Nach ihrer Rückkehr las sie im Grazer “Forum Stadtpark” aus eigenen Werken und wurde Teil der “Grazer Gruppe”. Ihren Romanerstling legte sie 1968 mit “Die Klosterschule” vor, in dem Frischmuth die autoritären Strukturen eines Mädchengymnasiums beschrieb. Nach ihrem hochgelobten Debüt und dem Roman “Das Verschwinden des Schattens in der Sonne” (1973) erzielte die Autorin vor allem mit der “Sternwieser-Trilogie” (1976-1979) in der sie sich intensiv mit der Verflechtung von mythologischen Traditionen und heutigen weiblichen Lebenswelten beschäftigte, und der “Demeter-Trilogie” (1986-1990) Erfolge, in der sie trotz Beibehaltung ihres Verfahrens der vielfältigen Bezüge zu alten Mythen höchst aktuelle Themen aufgriff. Der auf die Erzählung “Herrin der Tiere (1986) folgende Roman “Über die Verhältnisse” (1987) konnte – mit einem Bundeskanzler als zentraler literarischer Figur – als Schlüsselroman gelesen werden, “Einander Kind” (1990) mit seinen darin enthaltenen Kriegs- und Nazi-Biografien als Aufarbeitung der Waldheim-Affäre. Herrschaftskritik ist einer der zentralen Aspekte von Frischmuths Schaffen.

Toleranz, Natur und Verständigung
APA/BARBARA GINDL


Neben Erzählungen, Essays, Hör- und Fernsehspielen erschienen u.a. die Romane “Die Entschlüsselung” (2001), “Der Sommer, in dem Anna verschwunden war” (2004), der Reiseroman “Vergiss Ägypten” (2008) und 2012 schließlich “Woher wir kommen”. In ihren literarischen Gartentagebüchern wie “Fingerkraut und Feenhandschuh” (1999), “Löwenmaul und Irisschwert” (2003) und “Marder, Rose, Fink und Laus” (2007) hat sie ihre schriftstellerische mit der gärtnerischen Passion vereint. Mit dem kürzlich erschienenen “Die Schönheit der Tag- und Nachtfalter” hinterlässt Frischmuth fantastische Naturerzählungen.
Immer wieder hat die Autorin ihre Stimme erhoben, wenn statt Verständigung und Toleranz Terroranschläge oder Kriege interkulturelle Beziehungen beherrschen oder Flüchtlingspolitik sich nicht als humanitäre Hilfe, sondern als Abschottung herausstellt. Frischmuth erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis 1972, den Anton-Wildgans-Preis 1973 und den Franz-Nabl-Literaturpreis 1999. 2005 wurde sie mit dem Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln gewürdigt, 2011 folgte das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark, 2019 das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien und der Ehrenring des Landes Steiermark.