Von Venedig in den Urwald

Triokonzert in Großdorf mit hochkarätigen Mitwirkenden und exquisitem Programm.
Egg-Großdorf Ein solches Konzert wird man nicht so bald wieder hören: Schon die Besetzung mit Flöte, Fagott und Orgel ist ungewöhnlich. Dazu kam eine fantasievolle Programmgestaltung, die unter dem Titel „Von Glanz- und Irrlichtern“ Werke vom Barock bis ins 20. Jahrhundert kombinierte. Einziger Wermutstropfen: Bei dieser Lichterkette an Raritäten wären Informationen im Programm hilfreich gewesen. Die Hauptattraktion waren aber die Mitwirkenden: die beiden Professorinnen der Stella-Privatuniversität, Nolwenn Bargin an der Flöte und Heidrun Wirth-Metzler am Fagott, sowie der bekannte Vorarlberger Organist Jürgen Natter. Organisiert wurde das Ganze vom Verein Dorfkultur in Egg-Großdorf, wo die Kirche St. Josef am späten Sonntagnachmittag bis auf den letzten Platz besetzt war.

Die musikalische Reise begann in Venedig, mit Vivaldis Trio für Flöte, Fagott und Basso continuo, RV 86. Vivaldi hat viele seiner Werke für die Waisenmädchen komponiert, die im Ospedale della Pietà eine gediegene musikalische Ausbildung erhielten und die für das Publikum unsichtbar auftraten. In Großdorf konnte man die Mitwirkenden, die auf der Empore musizierten, auf einer Leinwand im Altarraum sehen. Von der ersten, von Bargin wunderschön geblasenen Melodielinie an war klar: Hier ist eine Meisterin am Werk. Wirth-Metzler am Fagott stand ihr in nichts nach, doch ihr Instrument zeichnet sich weniger durch Schönklang als durch charakteristische Klangfarben aus. Auch technisch spielten die beiden alle Stücke, in atemberaubenden Temposteigerungen und auf den Punkt präzisen Staccatostellen. Natter begleitete dezent, mit ein wenig Figurenwerk in der rechten Hand.

Ein Sprung ins 19. Jahrhundert führte zu zwei von Schumanns Vier kanonischen Studien op. 56, bearbeitet für Fagott und Orgel, einem absoluten Kleinod. Wirth-Metzler brachte ihr Instrument zum Singen, entfaltete klangvoll die melancholischen Melodielinien, die Orgel war farbig registriert. In Johannès Donjons spätromantischer Invocation schwebte Bargins Flötenklang mit eleganter Phrasierung über den Orgelakkorden. Bei Philipp Böddeckers barocker Sonata sopra „La Monica“ intonierte Bargin diesen melancholischen Ohrwurm aus der Renaissance, während Wirth-Metzler die Melodie in unglaublich virtuosen Figuren umspielte, von der Orgel stilsicher untermalt.

Ein Werk für Orgel solo bildete dann das Herzstück des Programms, Bachs Choral „Liebster Jesu, wir sind hier“, der von Natter mit souveräner, meditativer Ruhe auf dem 2000 renovierten, sehr schönen Instrument gespielt wurde. Bach hat auch die beiden folgenden Bachianas Brasileiras für Flöte und Fagott inspiriert, in denen der brasilianische Komponist Heitor Villa-Lobos die Musik des Barockmeisters mit Melodien aus dem Urwald kombiniert hat und die die beiden Bläserinnen mit atemberaubender Atemakrobatik hinlegten. Eine Probe seiner ganz besonderen Begabung gab Natter unter dem Titel „Feux follets“ (Irrlichter), einer sehr fein nuancierten Improvisation mit entfernten Anklängen an Louis Viernes gleichnamige Komposition. Nach diesem Ausflug in die Moderne klangen zwei weitere Stücke aus Schumanns Kanonischen Studien wie eine Heimkehr, besonders im zweiten zeigte Wirth-Metzler, wie gesanglich man auf dem Fagott spielen kann. Mit F. W. Zachows verspieltem Trio für Flöte, Fagott und Basso continuo schloss sich der Kreis. Das tief beeindruckte Publikum dankte mit Bravos und viel Applaus.
Ulrike Längle