Das Ende des Schreckens

Kommentar von Walter Fink.
In wenigen Tagen beginnen die ersten Erinnerungsfestlichkeiten, das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft, die Errichtung der Demokratie, der Zweiten Republik, die Unterzeichnung des Staatsvertrags. All das geschah in wenigen Wochen zwischen April und Mitte Mai 1945. Und es war der Beginn einer großartigen Entwicklung, das Ende des Schreckens der Diktatur. Es war auch – und fast auf den Tag genau – mein Leben.
Noch im Zweiten Weltkrieg wurde ich im April 1945 in Bregenz geboren. Bregenz war damals noch eine unzerstörte, hübsche alte Stadt, mit großen, noblen Hotels in Bahnhofsnähe, mit alten Häusern in der Kaiserstraße. Damals herrschten noch die Nationalsozialisten, in Bregenz Bürgermeister Carl Solhart und seine SS-Schergen, die eine kampflose Übergabe der Stadt an die anmarschierenden Franzosen verhinderten. So kam es zur Bombardierung von Bregenz am 1. Mai, der etwa 80 Häuser in der Innenstadt zum Opfer fielen. Die Menschen flohen vor den Luftangriffen in die Bunker, nachdem wir im Dorf wohnten, nahm man mich als Kleinkind in die Bunker unter dem Gallusstift. Die Nationalsozialisten und die SS flohen und hinterließen in den Gemeinden eine Spur des Schreckens und des Todes.
Von all dem habe ich nichts mitbekommen, ich sei ein zufriedenes Kind gewesen, das – meine Familie war inzwischen zu meinem Großvater nach Bezau im Bregenzerwald übersiedelt – in unbeschadeter Umgebung und damals freier Natur aufgewachsen war. Ich war, wenn man von den ersten Tagen meiner Existenz absieht, ein Kind des Friedens. Ich habe nichts anderes bewusst erlebt. Die Nachkriegsjahre waren eine arme Zeit, dadurch aber, dass fast niemand etwas hatte, war man zufrieden. Der Neid kommt ja erst, wenn man sieht, was andere haben, dann will man das auch. Kein Kind hatte damals Spielsachen, wir nahmen das, was wir in der Natur vorfanden. Auch mit dem Essen war es etwas schwierig, auch wenn ich mich nicht an Hunger erinnern kann. Aber ich weiß noch, wie man mich als kleinen Bub mit Lebensmittelkarten in den Laden schickte. Nur, was auf den Karten stand, konnte man kaufen. Aber, wie gesagt, das traf alle, war damit nicht so schlimm.
Von den Älteren hörten wir später Erzählungen vom Krieg, nicht zuletzt meinten die Lehrer – vielfach noch alte Nazis – in der Schule, die ich dann wieder im noch nicht wirklich aufgebauten Bregenz besuchte, dass sie mit solchen Geschichten punkten könnten. Ein Übel, das sich bis in die Gymnasialzeit zog. Von solchen Ausfällen abgesehen aber habe ich nur eine Zeit des Friedens, auch des wirtschaftlichen Aufstiegs erlebt. Wer arbeiten wollte, fand Arbeit, wer eine Ausbildung machte, etwa eine berufsbildende Schule, wurde noch am Maturatag von den Firmen umworben. Es waren goldene Zeiten, bis herauf ins heutige Jahrtausend. Ich war ein Glückskind. Und deshalb denke ich auch heute, bei all dem Wahnsinn auf der Welt, dass sich letztlich die Vernünftigen durchsetzen werden, dass es wieder zur Normalität kommen wird. Und zu einem kriegsfreien Europa. Besser: Zu einer friedlichen Welt.