Koyo Du fehlst

13.05.2025 • 13:16 Uhr
Koyo Du fehlst

VN-Kommentar von Gerald Matt.

Vor wenigen Tagen telefonierte ich mit einer lieben Freundin, der großartigen Kuratorin und künftigen Venedig-Biennale-Chefin Koyo Kouoh. Ich hatte mit Ihr vereinbart, ein Gespräch für ein Buch, an dem ich schon geraume Zeit arbeite, „The art of curating“, zu führen. Bislang konnte ich mit herausragenden Kuratoren und Museumsleitern wie Hans Ulrich Obrist, Max Hollein, Anda Rottenberg oder Yuko Hasegawa über die Rolle des Kuratorenschaft in der gegenwärtigen Kunstwelt diskutieren. Da durfte die Expertise von Koyo Kouoh nicht fehlen. So wollte ich mit Ihr ein Treffen in Venedig, wo sie am 25. Mai ihr Programm präsentieren sollte, vereinbaren. Als ich ihre schwache Stimme hörte, und sie mir erklärte, sie sei sehr krank und könne jetzt nicht lange sprechen, geschweige denn einen Termin ausmachen, war ich überaus besorgt. Dennoch weigerte ich mich am Sonntag den ersten Medienberichten von ihrem Tod Glauben zu schenken.

Ich kannte Koyo seit vielen Jahren und sie war mit ihrem oft unkonventionellen kuratorischen Denken und Handeln eine Ausnahmeerscheinung in der internationalen Kunstwelt. Den Museen und ihren Eitelkeiten, dem Kunstmarkt und seiner Gier und der Kuratorenwelt und deren ideologischen Beschränkungen stand sie stets sehr kritisch gegenüber. Kunst war für sie nichts, was man nur aufbewahrt und ausstellt, sondern mehr etwas Soziales, auch Spirituelles, eine Kraft, die das Leben verändert.  Ihr Engagement, besser wohl ihr Herzblut galt der Begegnung der Kulturen Afrikas und Europas, zuletzt als Chefkuratorin des in Kapstadt angesiedelten Zeitz Museum of Contemporary Art Africa.

Ich lernte Koyo Kouoh Ende der 90er Jahre kennen als sie die Kunsthalle und mich Wien bei einem Projekt mit afrikanischen Künstlern bereit. Anfang 2000 traf ich sie wieder, als ich als Jurymitglied der Biennale Dakar den Senegal besuchte, wo sie die Raw Material Company gründete, ein Zentrum für Kunst, Wissen und Gesellschaft das einlud, Kunst und Intellektualität des afrikanischen Kontinents kennenzulernen. Ihre Laufbahn begann sie in der Schweiz, ihrer Wahlheimat, so konnten wir miteinander in Vorarlbergerisch und Schwyzerdütsch parlieren.  Sie gehörte 2007 und 2012 zum Documenta-Team in Kassel und erhielt den renommierten Prix Meret Oppenheim, den Großen Schweizer Kunstpreis.

Koyo Kouoh wurde nur 57 Jahre alt. Sie war Ende vergangenen Jahres als erste Frau aus dem afrikanischen Kontinent ausgewählt, die 61. Ausgabe der Biennale 2026 zu kuratieren. Mit Ihr hat die Biennale eine große Kunstliebende und Vermittlerin zwischen Afrika und dem Westen verloren. In ihrem Statement zur Berufung versprach Koyo Kouoh „eine Ausstellung die Bedeutung für die Welt hat,…die Welt, die wir schaffen wollen“. Koyo liebte die Kunst und noch mehr die Menschen, die sie machen. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte sie: „Es wäre wunderbar, wenn Bilder Kriege beenden könnten“. Zu diesem Wunder wird sie nicht mehr beitragen können. Koyo, Du fehlst!